
Herta Müller im Gespräch mit Sascha Feuchert (links) und Gerwig Epkes (rechts) © ZKM | Karlsruhe, Fotos: Felix Grünschloss
Zum Abschluss der im vergangenen Jahr initiierten Veranstaltungsreihe „Writers for Freedom“ war am Weltfrauentag Herta Müller zu Gast im ZKM | Karlsruhe, um sich für die Freiheit des Wortes einzusetzen. Vor rund 550 Zuschauern sprach sie mit SWR2-Moderator Gerwig Epkes und PEN-Vizepräsident Sascha Feuchert über ihre Kollegin Liu Xia, die seit mehr als fünf Jahren unter strengem Hausarrest steht.
Feinfühlig gab die Literaturnobelpreisträgerin Einblicke in das Leben der chinesischen Künstlerin und Dichterin, deren einziges „Verbrechen“, so Müller, darin bestehe, mit Liu Xiaobo verheiratet zu sein. Seit ihrem Mann im Oktober 2010 der Friedensnobelpreis zugesprochen worden sei, dürfe Liu Xia weder unbeaufsichtigt ihre Wohnung verlassen, noch Besuch empfangen oder telefonieren wann und mit wem sie wolle. Sogar eine freie Arztwahl werde der herzkranken und an schweren Depressionen leidenden Frau verwehrt. Sie sei eine Gefangene in ihren eigenen vier Wänden, permanent überwacht und vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Diese perfide Art der Bestrafung, so erläuterte Müller eindringlich, sei nur eine der ungeheuerlichen Maßnahmen, die sich die Regierung der Volksrepublik China einfallen lasse, um das Leben der sensibelsten und klügsten Köpfe des Landes zu zerstören.

v.l.: PEN-Generalsekretärin Regula Venske, PEN-Vizepräsident und Writers-in-Prison Beauftragter Sascha Feuchert, Schriftstellerin Herta Müller, Projektleiterin Martina Hofmann und Moderator Gerwig Epkes
© ZKM | Karlsruhe, Fotos: Felix Grünschloss
Als Lesepatin war Herta Müller nicht nur bestens über die Hintergründe dieses konkreten Falls sowie die generellen (kultur-)politischen Entwicklungen in China im Bilde, sondern hatte mit Unterstützung der Dolmetscherin Yeemei Guo in der Vorbereitung auf die Veranstaltung sogar neue deutsche Versionen einiger Gedichte Liu Xias erarbeitet. Damit setzte sie nicht nur ihren bereits mehrere Jahre andauernden Einsatz für die Kollegin fort, sondern trug in ganz besonderer Weise dem Bestreben des PEN Rechnung, Texte inhaftierter und bedrohter Autorinnen und Autoren in deutscher Sprache zugänglich zu machen.
Zum Ausklang des Abends präsentierte Müller einige ihrer bisher unveröffentlichten Collagen. Zwar vermittelten die eigens für die Veranstaltung im ZKM zusammengestellten und Liu Xia gewidmeten Texte eine zum Teil fast schon heitere Note, Sätze wie „der Präsident lässt morden“ aber führten den Gästen einmal mehr vor Augen, dass die Meinungsfreiheit, über die Schriftstellerinnen und Schriftsteller hierzulande verfügen, in vielen Ländern mit Füßen getreten wird und das niedergeschriebene kritische Wort nicht selten eine Gefahr für das eigene Leben darstellt.
Die Reihe „Writers for Freedom“ wurde von der Literaturwissenschaftlerin Martina Hofmann ins Leben gerufen und in Kooperation mit dem PEN-Zentrum Deutschland und der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe am ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe umgesetzt. Die Spendeneinnahmen von insgesamt mehr als 2.500 Euro kommen dem Writers-in-Prison-Programm des deutschen PEN zugute.