Der deutsche PEN auf der Bonner Buchmesse Migration

Was ist Heimat?“ fragte die 13. Bonner Buchmesse Migration und stellte Menschen vor, die ihre Heimat verlassen mussten. Das PEN-Zentrum Deutschland berichtete über seine Unterstützung verfolgter Kollegen und ließ sie zu Wort kommen.

„Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?“ war man mit Schiller versucht zu fragen angesichts der bereits 13. Bonner Buchmesse Migration im Haus der Geschichte auf der Museumsmeile – in diesem Jahr vom 4. bis zum 6. November. Dabei handelt es sich um eine Erfolgsgeschichte, die sich in mehr als 20 Jahren ständig fortentwickelt hat und wachsenden Zuspruchs erfreut.

Das liegt an dem breit angelegten Konzept, wie die Organisatoren berichten: „Überall – in wissenschaftlichen Institutionen, sozialen Vereinen und bürgerschaftlichen Initiativen, als Autoren in Verlagen oder als einzelne Ehrenamtliche – engagieren sich Menschen in den bewegten Themenfeldern Migration, Flucht und interkulturelles Zusammenleben. Seit 1998 bündelt dieses weitverzweigte, dezentrale Netzwerk alle zwei Jahre seine Aktivitäten und zeigt sie vier Tage lang auf der Bonner Buchmesse Migration im Haus der Geschichte. Jede dieser Messen nimmt Stellung zu aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Ereignissen.“

Stella Gaitano (li.) mit Writers in Exile Projektmitarbeiterin Isabella Stadler

Damit wird hier in Bonn drei Tage lang ein Forum geboten, auf dem unterschiedliche Menschen, die dieses Thema interessiert als Betroffene oder Betreuer, als Autoren oder hilfsbereite Bürger, ins Gespräch kommen können und sich austauschen. Es war ergreifend zu beobachten, wie hier Gesprächspartner zueinander fanden, die ein gemeinsames Schicksal verbindet, weil sie ihre Heimat verlassen mussten, um Leben und Freiheit zu retten. Einige kannten sich aus ihren Herkunftsländern und konnten einander berichten, wie es daheim aussieht, wie es Freunden und der Familie geht. Genau das soll hier in zwangloser Runde möglich sein: „Menschen aus allen Kulturen über Migration und demographischen Wandel zu informieren und ins Gespräch zu bringen.“

Seit Jahren ist das PEN-Zentrum Deutschland aktiv im Einsatz zur Verteidigung des Freien Worts und in seiner Arbeit zur Unterstützung bedrohter und verfolgter Kollegen. Deshalb waren der PEN mit einem Stand vertreten und informierte über unsere Tätigkeit. Geleistet wird sie ehrenamtlich von Mitgliedern und dem engagierten Team der Geschäftsstelle in Darmstadt. Speziell unsere beiden Vize-Präsidentinnen, Astrid Vehstedt als Writers-in-Exile-Beauftragte sowie Cornelia Zetzsche als Writers in Prison Beauftragte, investieren einen großen Teil ihrer Zeit und Kraft für die Hilfe verfolgter Kolleginnen und Kollegen. Kerstin Martini und Isabella Stadler, beide in Darmstadt mit diesen Aufgaben betraut, beantworteten am Stand Fragen und berichteten Besuchern, wie Hilfe für bedrohte und verfolgte Menschen möglich wird.

V. l. n. r.: Marzieh Nasiri, Pezhman Golchin und Farhad Jahanbeigi

Höhepunkte der Bonner Migrationsmesse waren wieder die Diskussionen, Lesungen und Vorträge von Betroffenen. So lasen die beiden Schriftsteller und Journalisten Farhad Jahanbeigi und Pezhman Golchin aus dem Iran, beide als Stipendiaten hier im Exil, aus ihren Werken und diskutierten anschließend über die aktuelle Situation in ihrer Heimat. Unter dem Slogan „Frau, Leben Freiheit“ gehen im Iran Menschen auf die Straße, demonstrieren und riskieren ihr Leben. Es wird scharf geschossen. Informationen über die aktuelle Lage sind rar und nicht zu überprüfen. So haben unsere Stipendiaten große Sorgen um Leben und Gesundheit ihrer Familien und ihrer Freunde. Wegen ihres politischen Engagements mussten sie fliehen. Spontan übersetzte Frau Marzieh Nasiri aus dem Iran fast simultan die Vorträge und anschließend Antworten zu Fragen aus dem Publikum. Unter dem Titel „Auf der Flucht in der Heimat sein“ las die südsudanesische Schriftstellerin Stella Gaitano aus ihrem noch unveröffentlichten Roman, Isabella Stadler trug die deutsche Übersetzung vor.

So bitter die Themen Migration und Flucht sind – Mut macht diese Messe und gibt auch denjenigen Kraft und Energie, die selbst unter solchen Bedingungen leiden oder mit ihnen konfrontiert sind. Möglich wurde dieser belebende Effekt, weil das Programm sich eben nicht nur in deprimierender Bestandsaufnahme erschöpfte, sondern Wege wies, der Misere Paroli zu bieten, aktiv zu werden. Neben den Lesungen und Gesprächen kamen musikalische Darbietungen nicht zu kurz wie etwa das Abschlusskonzert des „Kültürklüngel Orkestar“ am Sonntag.

Den besonderen Charme dieser großartigen kleinen Buch-Messe zum Thema Migration, in diesem Jahr unter der Fragestellung „Was ist Heimat?“, macht ihr fast familiärer Charakter aus. Verlage präsentierten ihre Titel an den Ständen, Amnesty International informierte über seine Arbeit und warb um Unterschriften für Petitionen, verschiedene Gruppen berichteten und stellten ihre Angebote vor. Ausgerichtet wird die Messe zum zweiten Mal als Kooperationsprojekt der EMFA/Integrationsagentur für Evangelische Migrations- und Flüchtlingsarbeit Bonn gemeinsam mit dem Diakonischen Werk Bonn und der Region.

In ihrem Grußwort sagte Reem Alabali-Radovan, als Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration hatte sie die Schirmherrschaft übernommen: „Eine Heimat zu haben, ist nicht selbstverständlich. Zum Beispiel sind noch nie so viele Menschen weltweit auf der Flucht gewesen wie heute.“ Gerade deshalb sei es wichtig, Ihnen Sicherheit und Geborgenheit zu gewähren.

So schlimm es ist, dass weltweit Menschen verfolgt werden und aus ihrer Heimat fliehen müssen, gut ist, dass sich in den Ländern der freien Welt immer wieder Menschen finden, die ihnen zu helfen bereit sind. Sie versuchen Vertriebenen Angebote zu machen, einen Zugang zu ihrer neuen Heimat zu finden. Und ungeheuer wichtig ist, dass alle Beteiligten sich über ihre Arbeit austauschen können. Wie etwa auf diesem großartigen Forum hier in Bonn.

Der PEN-Stand wurde betreut von Kerstin Martini und Isabella Stadler

 

Ein Bericht von PEN-Präsidiumsmitglied Andreas Rumler