Zehn Jahre Haft für Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski in Belarus

Foto: Bladyniec, Wiki Commons

Darmstadt 3. März. Ein Gericht in Minsk verurteilte heute den Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski zu zehn Jahren Gefängnis. Die erfundenen Anschuldigungen lauten: Schmuggel und Finanzierung von Aktionen zur Störung und groben Verletzung der öffentlichen Ordnung . Bialiatski, der auch Mitglied des exilierten PEN Belarus ist, wurde zusammen mit zwei Kollegen des Menschenrechtszentrums Wjasna – Vorstandsmitglied Valiantsin Stefanovich und Anwalt Uladzimir Labkovich – vor Gericht gestellt, das Urteil der beiden lautet neun und sieben Jahre Gefängnis. Ein viertes Mitglied von Wjasna, Zmister Salauyou, wurde in Abwesenheit vor Gericht gestellt und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Ales Bialiatski ist ein preisgekrönter Literaturwissenschaftler, Dissident und Menschenrechtler, der trotz Lukaschenkos Regime die Menschenrechtsorganisation Wjasna gegründet hat und sich seit Jahren für das freie Wort, für politische Gefangene, die Demokratisierung und eine Zivilgesellschaft, auch für Wahlbeobachtungen in seinem Land einsetzt. Bialiatski ist ein Symbol der Hoffnung und ein Vorbild für uns alle. Kein Wunder, daß an ihm ein Exempel statuiert wird. Wir fordern seine sofortige und bedingungslose Freilassung und die Aufhebung seiner Verurteilung“, sagte Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftrage des deutschen PEN-Zentrums.

Ma Thida, Vorsitzende des Writers in Prison Committee des PEN International, sagte:

„Die Angriffe auf Ales Bialiatski und Mitglieder von Wjasna sind Teil eines umfangreichen Vorgehens belarussischer Behörden gegen die Zivilgesellschaft und gegen unabhängige Stimmen in Belarus, die 2020 gehört wurden und immer noch nicht nachlassen. Die belarussischen Behörden scheinen entschlossen, jeden Dissens zu unterdrücken.“

Taciana Niadbaj, Präsidentin des PEN Belarus im Warschauer Exil erklärte:

„Der Menschenrechtsverteidiger und Schriftsteller Ales Bialiatski verkörpert heute die gesamte Zivilgesellschaft von Belarus, die Ungerechtigkeit, Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung der belarussischen Kultur nicht hinnehmen will. Im Epizentrum von allem war er immer angesichts schicksalhafter Ereignisse für das Land und die Gesellschaft. Zweimal in seinem Leben hat er sich bewusst dafür entschieden, nicht wegzugehen, sondern zu bleiben – bei seinem Volk, in seinem Land. Die persönliche Geschichte von Ales Bialiatski ist eine Chronik des Landes: Die Meilensteine seines persönlichen Lebens sind eng mit den Phasen der Bildung des neuen Weißrusslands verflochten, das wir in unseren Träumen haben. – Das rechtswidrige und politisch motivierte Urteil gegen Bialiatski – der sein ganzes Leben der belarussischen Kultur und den Menschenrechten gewidmet hat – beweist, dass sich das volksfeindliche Regime an unbesiegbaren Bürgern für ihre unerschütterliche Haltung gegen Diktatur, Gewalt und Lügen rächt.“

Ales Bialiatski, geboren am 25. September 1962, ist Literaturwissenschaftler, Essayist, Menschenrechtsverteidiger und Gründer von Wjasna, einer Organisation, die sich für verfolgte Oppositionelle einsetzt, die von den belarussischen Behörden schikaniert werden.

Er wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter 2012 mit dem Petra-Kelly-Preis der Heinrich Böll Stiftung, 2013 mit dem Menschenrechtspreis des Europarats und im Dezember 2020 der Alternative Nobelpreis. Ales Bialiatski ist Mitglied im belarussischen PEN-Zentrum, welches am 9. August 2021 von den Behörden aufgelöst wurde, unter schwierigsten Bedingungen aber weiterhin versucht, als eine der letzten Quellen der Meinungsfreiheit weiterzuwirken.

Schon im März 2021 leitete das belarussische Ermittlungskomitee ein Verfahren gegen Wjasna gemäß Artikel 342 des Strafgesetzbuchs (Organisation und Finanzierung von Handlungen, die grob gegen die öffentliche Ordnung verstoßen) ein, als Teil eines umfassenderen Vorgehens gegen unabhängige Medien und Organisationen der Zivilgesellschaft. Als Vorsitzender von Wjasna wurde Bialiatski am 7. April 2021 zur Vernehmung in die Zentrale des Untersuchungsausschusses vorgeladen. Er verlangte ein Vernehmungsprotokoll in belarussischer Sprache, dessen Erstellen mehrere Tage in Anspruch nahm.

Am 14. Juli 2021 wurde Ales Bialiatski zusammen mit mehreren Wjasna-Kollegen nach Razzien belarussischer Strafverfolgungsbeamter bei über einem Dutzend Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen festgenommen. Bialiatski wurde am 17. Juli wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen. Anschließend wurde er des Schmuggels und der Organisation und Finanzierung von Handlungen angeklagt, welche die öffentliche Ordnung grob verletzen.

Im Dezember 2022 wurde Bialiatski zusammen mit Memorial, der russischen Menschenrechtsorganisation, und mit der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – eine angemessene Anerkennung ihrer furchtlosen Arbeit. Sein Prozess begann am 9. Januar 2023 vor dem Lieninski-Bezirksgericht in Minsk. Während des gesamten Prozesses bat Bialiatski den Staatsanwalt und das Gericht wiederholt, den Prozess auf Belarus zu führen, ohne Erfolg.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bialiatski von den belarussischen Behörden ins Visier genommen wird. Auch am 4. August 2011 verhaftete man ihn unter dem Vorwand der Steuerhinterziehung – er nutzte seine persönlichen Bankkonten in Litauen und Polen, um Wjasna zu finanzieren, da die Organisation kein Bankkonto in Weißrussland führen konnte. Am 24. November 2011 wurde Bialiatski zu viereinhalb Jahren Haft in einer Hochsicherheitsgefängniskolonie verurteilt. PEN-Zentren setzten sich für seine Freilassung ein; 2014 wurde er im Juni 2014 amnestiert.

Die Krise in Belarus seit 2020 läßt nicht nach, da die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit weiterhin unter anhaltenden Angriffen stehen. Belarussische Behörden haben mit Brutalität und Repression gegen Kritiker reagiert und die Zivilgesellschaft „gesäubert“, dazu gehört die Auflösung des PEN Belarus im August 2021. Zahlreiche unabhängige Verlage wurden durchsucht, weil sie Bücher von belarussischen Schriftstellern und in belarussischer Sprache und ihre Aktivitäten beworben hatten unter weit hergeholten Vorwänden suspendiert. PEN Belarus dokumentierte allein im Jahr 2022 1390 Kultur- und Menschenrechtsverletzungen gegen Kulturschaffende. Sechs Mitglieder von Wjasna sitzen im Gefängnis.

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Felix Hille
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