30.03.2023, 15:00 Uhr – Writers-in-Exile-Stipendiatin Kholoud Charaf liest beim “Frühlingserwachen“ in Groß-Bieberau

In Zusammenarbeit mit der Albert-Einstein-Schule in Groß-Bieberau liest Writers-in-Exile Stipendiatin Kholoud Charaf beim Schulfest „Frühlingserwachen“. Die deutschen Übersetzungen der Texte werden von einer Schülerin vorgetragen.

Foto: Oliver Lückmann

Kholoud Charaf ist eine syrische Schriftstellerin, Dichterin und Künstlerin. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet und in zehn Sprachen übersetzt. Ihre autobiografische Reportage „Journey of the Return to the Mountain: A Journal in the Shadow of War” erhielt 2019 den angesehenen marokkanischen Muhammad Ibn Battuta Prize für Reiseschriftstellerei. Im Jahr 2020 wurde ihr der amerikanische IIE Award verliehen. Charafs Texte wurden unter anderem in mehreren Anthologien der University of Cambridge, des PEN International und des deutschen PEN sowie in der Literaturzeitschrift „Sinn und Form“ veröffentlicht. Das International Cities of Refuge Network (ICORN) holte Charaf 2018 nach Krakau, Polen. Seit September 2020 ist Kholoud Charaf Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms.

Das Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN ist ein Stipendienprogramm für verfolgte Autorinnen und Autoren, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Seit 1999 sind mehr als sechzig Literatinnen und Literaten Stipendiaten dieses Exil-Programmes gewesen. Bis zu drei Jahre stellt das deutsche PEN-Zentrum verfolgten Autorinnen und Autoren eine möblierte Wohnung zur Verfügung, dazu ein monatliches Stipendium. Die Kolleginnen und Kollegen vom deutschen PEN bringen sie in Kontakt mit Verlegerinnen und Verlegern in ihrer Umgebung.

 

30.03.2022, 19.30 Uhr – „Kein Land, nirgends?“ — Vortrag und Gespräch mit Harald Roth und Sajjad Jahan Fard

Harald Roth, Herausgeber diverser Publikationen zur NS-Zeit, Mitinitiator der KZ-Gedenkstätte Haifingen/Tailfingen, sowie Sprecher der regionalen Arbeitsgruppe Böblingen-Herrenberg von „Gegen Vergessen – für Demokratie“ und Sajjad Jahan Fard, persisch-kurdischer Autor und ehemaliger Stipendiat des Writers-in-Exile-Programms, sprechen über die Flucht aus Nazi-Deutschland und die Flucht nach Deutschland heute.

Um Flucht und Vertreibung geht es auch in dem von Harald Roth herausgegebenen Sammelband „Kein Land, nirgends?“, in dem auch Texte des kurdisch-sprachigen Autors Sajjad Jahan Fard und weiterer Writers-in-Exile-Stipendiat*innen veröffentlicht wurden.

An diesem Abend kommen Geflüchtete zu Wort. Es ist ein Anliegen des Herausgebers, „die Flucht-Geschichten aus der Perspektive der Betroffenen zu schildern und dabei ihre konkreten Erfahrungen und Emotionen in den Mittelpunkt zu rücken.“ (aus dem Vorwort von Aleida Assmann).

Sajjad Jahan Fard, auf Kurdisch „Jiyar“, ist ein iranischer Schriftsteller und Vorstandsmitglied der Kurdistan Pen Association. Aufgrund seines Engagements für die kurdische Sprache und Kultur wurde er mehrfach verhaftet und inhaftiert. Er schreibt Kurzgeschichten und Romane und setzt sich nach wie vor für die kurdische Sprache ein. Die aktuelle Anthologie „DIJE DEJ“ versammelt moderne kurdische Geschichten aus vier Teilen Kurdistans ist in allen Dialekten der kurdischen Sprache in Zusammenarbeit mit Anisa Jafarimehr und mit einer Einleitung von Burhan Sönmez, Präsident von PEN International. Eine „Anthologie der Gefängnisliteratur” mit Gedichten und Geschichten von kurdischen Schriftstellern in türkischen Gefängnissen steht kurz vor der Veröffentlichung.

Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

Das Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN ist ein Stipendienprogramm für verfolgte Autorinnen und Autoren, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Seit 1999 sind mehr als sechzig Literatinnen und Literaten Stipendiaten dieses Exil-Programmes gewesen. Bis zu drei Jahre stellt das deutsche PEN-Zentrum verfolgten Autorinnen und Autoren eine möblierte Wohnung zur Verfügung, dazu ein monatliches Stipendium. Die Kolleginnen und Kollegen vom deutschen PEN bringen sie in Kontakt mit Verlegerinnen und Verlegern in ihrer Umgebung.

 

ICORN Network-meeting 2023 in Brüssel

Astrid Vehstedt
Foto: Claudia Guderian

Das diesjährige ICORN-Treffen (International Cities of Refugee Network) fand vom 22. – 24. März in Brüssel statt. In zahlreichen Panel-Diskussionen und Workshops wurde über die Arbeit des Netzwerks, praktische Herausforderungen und Zukunftsaussichten der eingeladenen Stipendiat*innen gesprochen. Es waren interessante, arbeitsreiche und anstrengende Tage.

Der durchgehende Tenor der Tagung war der Wunsch der Stipendiat*innen nach Ruhe. „Wir brauchen Zeit, um ohne Druck schreiben zu können. Wir brauchen Zeit, um anzukommen, uns zurechtzufinden und uns mit Traumata auseinandersetzen zu können“, sagte die Schriftstellerin Somaya El-Sousi, die aus Gaza nach Norwegen kam. Vielfach sei diese Zeit aber durch die Bewältigung administrativer und anderer Dinge in Anspruch genommen.

In weiteren Panels wurden Publikationsmöglichkeiten diskutiert, wobei die Vertreterin aus Norwegen vor dem Selfpublishing warnte. Für Norwegen ist das Erlernen der Landessprache obligatorisch. Allerdings gäbe es auch einen praktischen Anreiz: die Autor*innen hätten durch das Erlernen der Sprache später die Möglichkeit, die Qualität ihrer Übersetzungen selbst zu kontrollieren.

Michael Ribbenvik, Generaldirektor der schwedischen Agentur für Migration, sprach u.a. darüber, vorhandene Gesetzestexte im Sinne von Migrant*innen „kreativ auszulegen“. Dies sei oft effektiver, als neue Gesetze zu schaffen, die vielleicht Gutes wollten, aber den vorhandenen Spielraum einengten.

Sehr eindrucksvoll in Inhalt und Darstellung war der kenianische Film „Walking with Shadows“ nach der gleichnamigen Erzählung von Jude Dibia, der selbst in den Film einführte. Es geht um die Verheimlichung von Homosexualität in Kenia und die daraus erwachsenden familiären und gesellschaftlichen Konflikte. Der Film ist ein starkes Plädoyer für Liberalität und Offenheit.

Interessant war ein speed-dating mit dem Titel „Building Cultural Bridges“ in welchem im Takt von etwa 20 Minuten unterschiedliche Themen in verschiedenen Gruppierungen diskutiert wurden, so das Konzept von „shared reading“. Hier liest ein/e Autor*in einen Text, der dann von den Anwesenden spontan diskutiert wird. Dabei geht es um die inhaltliche Relevanz und weniger um literaturtheoretische Aspekte. Diese Veranstaltungen finden in Bibliotheken in Skandinavien statt, sind gratis, jedoch mit Voranmeldung zugänglich. Gelesen wird nicht nur in der jeweiligen Landessprache, sondern auch auf Arabisch, Ukrainisch, Polnisch oder in anderen europäischen Sprachen, je nach Bedarf.

In zwei Veranstaltungen mit dem Titel „Conversations with friends“ kamen die Schriftsteller*innen und Journalist*innen Shoaib Durrazai (Balochistan), Dessale Berekhet, Wahab Michael Sbahtu und Mengesha Habte (Eritrea), Azhar Al-Rubaie (Irak), Zahra Hussaini (Afghanistan) und Atefe Asadi (Iran) zu Wort. Besonders erschütternd war der Bericht der drei Journalisten aus Eritrea. Sie beklagten die Abwesenheit jeglicher Bildungsmöglichkeiten. Verheerend sei auch die vollkommene Unterbindung des Internets, welches sie als „Zugang zum Wissen“ bezeichneten. Diese totale Abwesenheit von virtueller Kommunikation wurde von einer totalen Überwachung im Iran kontrastiert: das „Ministry of Islamic Culture and Guidance“ überwacht jede Form von Veröffentlichung und kultureller Arbeit. Dennoch sei es möglich, Literatur an der Zensur vorbei zu veröffentlichen und unter der Hand zu verbreiten.

Über 70 Städte weltweit sind dem ICORN-Netzwerk angeschlossen (www.icorn.org). Besonders prominent und zahlreich vertreten in Brüssel waren die skandinavischen Länder, allen voran Norwegen, welches die meisten ICORN-Partnerstädte weltweit hat. Die Programmdirektion ist in Stavanger. ICORN arbeitet mit PEN-Zentren weltweit zusammen und pflegt einen intensiven Austausch in Erfahrung und auch in der Vermittlung von Stipendiat*innen. Im Gegensatz zu den PEN-Zentren werden in ICORN-Städten auch Bildende Künstler*innen, Musiker*innen, Journalist*innen oder Fotograf*innen aufgenommen. Die Aufnahmeprozesse können bis zu drei Jahre dauern, die Aufnahmekriterien sind meist streng. In der Eröffnungsveranstaltung war die Fotografin Hayat Al-Sharif aus dem Yemen per Video zugeschaltet, die dort ihren Beruf unter Lebensgefahr ausgeübt hatte. Sie befand sich inzwischen in Norwegen, konnte aber nicht nach Brüssel reisen, weil ihr das Visum nicht rechtzeitig erteilt worden war.

Als Writers-in-Exile-Beauftragte des PEN Deutschland konnte ich dem Vertreter der ICORN-Stadt Pittsburgh ein kurzes Interview geben und informierte darin über das WiE-Programm.

Ein großer Dank gilt dem wallonischen Organisations-Team, das nicht nur für einen reibungslosen Ablauf sorgte, sondern uns einen überaus freundlichen Empfang bereitete.

Astrid Vehstedt

Writers-in-Exile-Beauftragte
Vizepräsidentin PEN Deutschland

09.04.2023, 19.30 Uhr – Queere Stimmen in der Literatur  #1 mit Writers-in-Exile-Stipendiatin Stella Nyanzi

Stella Nyanzi
Foto: Max Gödecke

Stella Nyanzi, ugandische Exilautorin und Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN, liest und diskutiert im Forum Factory in Berlin zum Thema Tod, Leben, Sterben.

Unter der Moderation von Joaquín La Habana präsentieren sich an zwei Abenden unterschiedliche Positionen der Gegenwartsliteratur aus der queeren Community mit Kabarett, Satire und Kreativität.

Stella Nyanzi, geboren 1974 in Jinja, ist eine ugandische Wissenschaftlerin, Aktivistin und Dichterin. Bekannt wurde sie für ihre heftige Kritik am ugandischen Präsidenten Yoweri Kaguta Museveni, der seit mehr als 30 Jahren eine Diktatur führt. Dies führte zu Inhaftierungen für Nyanzi, warf aber auch Fragen der Redefreiheit und der politischen Unterdrückung in Uganda auf.

Der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen

Das Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN ist ein Stipendienprogramm für verfolgte Autorinnen und Autoren, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Seit 1999 sind mehr als sechzig Literatinnen und Literaten Stipendiaten dieses Exil-Programmes gewesen. Bis zu drei Jahre stellt das deutsche PEN-Zentrum verfolgten Autorinnen und Autoren eine möblierte Wohnung zur Verfügung, dazu ein monatliches Stipendium. Die Kolleginnen und Kollegen vom deutschen PEN bringen sie in Kontakt mit Verlegerinnen und Verlegern in ihrer Umgebung.

Die Veranstaltung wird gefördert im Rahmen von NEUSTART KULTUR, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds e.V.

Flucht aus dem Iran

Autoren berichten in Briefen und einem Gedicht an PEN Deutschland über ihre Zeit in der Illegalität

Pressemitteilung, Darmstadt, 23.3.2023. Drei Autoren flohen aus dem Iran, strandeten in der Türkei und suchten Hilfe bei PEN Deutschland. In Briefen und einem Gedicht an das deutsche PEN-Zentrum erzählen Soroosh Mozaffar Moghaddam, Hamed Aboumoaref und Milad Zanganeh ihre Geschichten, beschreiben ihr Leben in der Illegalität und ihre Not.

Angesichts von Todesdrohungen, Folter, Hausdurchsuchungen, unbarmherzigen Verhören, Zensur und anderen Repressalien gegen Regimekritiker:innen kam es im Vorfeld des  Neujahrsfest am 20. März in Iran erneut zu Protesten. Aber oft bleibt Aktivistinnen und Schriftstellern nur die Flucht. Die iranische Schriftstellervereinigung (IWA) etwa kämpft seit Jahrzehnten gegen Zensur. Seit September hat sich die Lage noch einmal zugespitzt.

Hamed Aboumoaref, geboren 1984, Dichter und Übersetzer arabischer Literatur, und seine Frau Razieh Aghajari, Sängerin, Songwriterin, Mitglied der Säkularen Demokratischen Partei, suchten mit ihrer kleinen Tochter Zuflucht in der Türkei. Aboumoaref ist arabischer Herkunft, sein Vater Sheikh Khamisi, der Sohn aber hat sich aus diesen traditionellen Stammesbeziehungen gelöst. Seine Texte, seine Zeitschrift, sein Verlag wurden verboten, sein Brotjob in der Ölindustrie gekündigt. Seine Frau war zeitweise in Haft. Aboumoaref hatte eine Unterschriftensammlung veröffentlicht und dem amerikanischen Fernsehsender Iran International Interviews gegeben über die Verantwortung der Regierung beim Einsturz des Metropol-Gebäudes in Abadan im Mai 2022, ein Unglück mit vielen Toten. Nach seinen aktuellen Protesten gegen die Gewalt des Regimes kam die Drohung: Man finde ihn auch in der Türkei. Der vierjährigen Tochter würde ein Ohr abgeschnitten, wenn er nicht schwiege.

„Ich frage mich, ob wir je wieder aus diesem Alptraum erwachen. Aber alle sollten von diesem Albtraum wissen, damit sich in diesem brüchigen, vorübergehenden Unterschlupf vielleicht weniger Träume in Albträume verwandeln.“

(Hamed Aboumoaref) Weiterlesen – Link

Soroosh Mozaffar Moghaddam, 1980 in Mashhad geboren, Schriftsteller, Journalist, Aktivist und Mitglied der Iranian Writers Association (IWA), kommt aus einer oppositionellen Familie. Seine Erzählbände wurden im Iran zensiert, erschienen aber in Schweden, England und Frankreich: u.a. Written Situations on Death and Darkness. Auch ein Theaterstück und sein Roman Azizeh Day and Night über eine Frau, die den Hijab ablegt, wurden im Iran verboten. Neben seiner Arbeit als Autor erforscht er die zeitgenössische Geschichte des Iran und des Mittleren Ostens. Mit seinen Texten und seinem Engagement für Kollegen wurde Moghaddam zur Zielscheibe der Mullahs. Er hatte die Liste „Schriftsteller und Künstler in Haft“ erstellt, 1000 Unterschriften dafür gesammelt und ausländischen Medien wie der BBC Interviews gegeben. Mehrmals wurde er verhört, seine Familie drangsaliert. Im November 2022 floh er mit seiner Frau in die Türkei.

„Heute, wo Dunkelheit über meinem Heimatland herrscht, ist meine Bitte an die Menschen, die in Freiheit leben, sich mit den Menschen im Iran zu solidarisieren, besonders mit den Frauen.“ (Soroosh Mozaffar Moghaddam) Weiterlesen – Link

Milad Zanganeh, 1985 geboren in Mashhad, ist Dichter, Literaturkritiker, Journalist und Verleger. Mit seiner Frau, der Dichterin Tamineh Aghajari, und seiner Familie floh er in die Türkei. Zanganeh hat in der Ölindustrie gearbeitet, aber immer geschrieben. Weil die Zensoren seine Lyrikbände abwiesen, gründete er online den Verlag nowrahan und einen Telegramkanal für Autor:innen, die, wie er, nicht publizieren durften. Veröffentlicht wurden über 45 Titel, Interviews und Offene Briefe zu den jüngsten Protesten. Wegen der kritischen Inhalte, weil Frauen dort ohne Kopftuch auftraten, weil er Exilautoren und eine Zeitschrift publizierte und eine Veranstaltung für den 1998 ermordeten Dichter Mohamed Mokhtari organisierte, gab es Probleme mit Irans Sicherheitskräften, eine Vorladung und ein Verhör über zwei Tage, dazu Drohanrufe und eine Wohnungsdurchsuchung, bei der von ihm verlegte Bücher und sein Laptop konfisziert wurden.

„Meine von Schmerz gepeinigten Fingernägel sind Teil der Geschichte, während Schlagstöcke die Worte versklaven, und in der Geschichte die Frauen mutiger sind als alles Leid.“ (Milad Zanganeh) Weiterlesen – Link

Für die drei Autoren ist der Aufenthalt in der Türkei riskant und schwierig: ohne Einkommen, ohne Sicherheit, immer in Angst, sie könnten entdeckt und in den Iran abgeschoben werden. Das deutsche PEN-Zentrum unterstützt sie – den Spendern sei Dank! – finanziell und hilft im Bemühen, Visa für Deutschland zu bekommen, um dort politisches Asyl zu beantragen, denn das ist nur auf deutschem Boden möglich.

Im Namen des deutschen PEN-Zentrums

Cornelia Zetzsche

Vizepräsidentin und Beauftragte für Writers in Prison/ Writers at Risk

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637; Fax.: 06151/293414
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

Aktionstag zum Welttag der politischen Gefangenen

Initiiert und organisiert von Mitgliedern des deutschen PEN-Zentrums fanden am 17. März 2023, dem Vorabend des Welttages der politischen Gefangenen, Lesungen in Köln, Leipzig, Mannheim und München statt. Eigene Texte sowie Texte politischer Gefangener aus Gegenwart und Vergangenheit lasen Simone Barrientos, Christine Hoba, Vera Botterbusch, Hasan Dewran, Carl-Christian Elze, Gabriele Gillen, Ralph Grüneberger, Rita Hausen, Margit Hähner, Roman Israel, Tanja Kinkel, Manfred Klenk, Dagmar Leupold, Dorothea Renckhoff, Bernt Hahn, Andreas Rumler, Bernhard Schader, Johano Strasser, Gabriele Pommerin-Götze, Hans-Walter Voigt und Cornelia Zetzsche.

Von gestern bis heute. Texte aus dem Gefängnis
Lesung im Domforum in Köln:

V. l. n. r.: Kathrin Eigendorf, Andreas Rumler, Margit Hähner, Dorothea Renckhoff und Bernt Hahn

Sehr gerne habe er die Lesung gemeinsam mit dem PEN ausgerichtet, so Rainer Tüschenbönner, Leiter des Domforums, am Freitag Abend im Domforumin in Köln in seinen einleitenden Worten.

Vier Akteure – Dorothea Renckhoff, Margit Hähner, Andreas Rumler und Bernt Hahn – lasen Texte inhaftierter Autoren. Die eigentliche Moderatorin des Abends, Gabriele Gillen, musste leider kurzfristig aufgrund einer Erkrankung absagen. Dank ihrer guten Vorbereitung konnte Margit Hähner die Moderation ohne Probleme übernehmen. Gelesen wurden Texte bekannter Autoren, die einen Bogen schlugen vom 18. Jh. bis zu heutigen Stipendiaten des PEN. Zu Wort kamen Henri Masers de Latude, Giacomo Casanova, Fjodor Dostojewskij, Alexander Solschenizyn, Erich Mühsam, Petter Moen, Enoh Meyomesse und Ahmet Altan. Den Abschluss bildete ein Appell des Kölner 1848-er Revolutionärs Robert Blum.

Die Pianistin Kathrin Eigendorf verlieh dem Abend mit feinfühlig ausgewählten Klavierstücken eine besondere Note.

„Das verbotene Wort“
Konzertlesung im Verlag Waldkirch in Mannheim

Barbara Waldkirch

Die Verlegerin Barbara Waldkirch verwies zu Beginn der Konzertlesung darauf, dass der Verlag mit seiner Gründung 1582 in Basel bereits sich dem „freien Wort“ verpflichtet hat – damals in der Veröffentlichung protestantischer Schriften.

Die musikalische Begleitung übernahmen Emre und Eren Can Erol der Gruppe „Telde. Deva“ der Orientalischen Musikakademie Mannheim auf der türkisch/iranischen Zither Kanun und der türkischen Laute Baglama, später auf der iranischen Laute Saz.

Der selbständige Autor des Kulturnetzwerks Mannheim-Heidelberg Hasan Dewran kommt aus der Sprachkultur der Zaza (dem Zazaischen), am nordwestlichen Rand des kurdischen Sprachgebiets, die heute von ca. 2 Mio. Menschen in Südostanatolien als Muttersprache verwendet wird. Hasan Dewran kennt die Repression am eigenen Leib, die Unterdrückung dieser Kultur in Wort und Schrift über den türkischen Staat hinaus.

Rosa Ahmadipour

Rosa Ahmadipour, seit 2017 aus dem Iran gekommen, in Mannheim lebend, mag die Gedichte der iranischen Lyrikerin Atefeh Chaharmahalian sehr. Sie trug Atefehs Gedicht „In den tristen Augenblicken“ sehr ergreifend auf Farsi (in persischer Originalsprache) vor.

Hans-Walter Voigt aus Ludwigshafen, Mitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER’77“, trug die Übersetzung von Atefehs Gedicht in deutscher Sprache vor (übersetzt von: Ali Abdullahi und Kurt Scharf, Sujet Verlag) und stellte u.a. noch zwei iranische Gedichte in den Mittelpunkt seines Vortrags von der Deutsch-Iranerin Naziri aus Hamburg: „Freiheit, goldner Vogel“ und „Schwester im Iran“.

Bernhard Schader aus Mannheim, Vorstandsmitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER ’77“, trat auf die Bühne und begeisterte mit seiner historischen Geschichte vom unfreien Wort zu „Jan Hus“. Rita Hausen aus Waldorf, Vorstandsmitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER ‚77“ überraschte mit ihrem Essay zum „Kopftuch / Frauenprotest im Iran“ .

Manfred Klenk

Manfred Klenk moderierte den Abend; seine Beiträge zum Ende der Veranstaltung bezogen sich auf zwei Gedichte aus dem Buch „Worthaft“ von der Lyrikgesellschaft Leipzig, darunter Erich Mühsams Gedicht: „Der Gefangene – sich fügen heißt lügen“.

 

 

 

 


“Für die Freiheit des Wortes”
Lesung in der Seidl Villa in München

V. l. n. r.: Johano Strasser, Vera Botterbusch, Dagmar Leupold, Cornelia Zetzsche und Tanja Kinkel

Ein sehr interessiertes Publikum begleitete am Freitagabend in der Münchner Seidlvilla den Leseabend zum Tag des politischen Gefangenen. Dabei war es Vera Botterbusch als Moderatorin sehr wichtig, eine Verbindung herzustellen zum Elend der Menschenverachtung im Dritten Reich, zu dem schweren Erbe, das wir in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg antreten mussten. So las Simone Barrientos aus Victor Klemperers Tagebüchern (1933-1945), Dagmar Leupold las eigene Gedichte zu Krieg und Gewalt, Johano Strasser eine Erzählung, die sich mit Problemen der Integration in eine fremde Gesellschaft befasst, Gabriele Pommerin-Götze aus „Himmel über Charkiw“ des ukrainischen Dichters Serhij Zhadan. Dann folgte Tanja Kinkel mit einem Text von Selahattin Demirtaş, der in der Türkei im Gefängnis sitzt, Cornelia Zetsche las Zeugnisse der iranischen Dichterin und Aktivistin Atefeh Chaharmahalian, Vera Botterbusch las für den auf Grund eines Unfalls verhinderten Christoph Lindenmmeyer einen Brief vom aus dem Iran in die Türkei geflohenen Soroosh Mozaffar Moghaddam an das ihn unterstützende deutsche PEN-Zentrum und zum Schluss Überlegungen von Tsitsi Dangarembga zu Problemen des kolonialen Erbes in Simbabwe.

Eine Veranstaltung des deutschen PEN-Zentrums und der Louise-Aston- Gesellschaft.

“Das verbotene Wort”
Lesung im Soziokulturellen Zentrum naTo Leipzig e.V.

Soziokulturelles Zentrum naTo Leipzig e.V. Foto: Ralph Grüneberger

Vor allem ein jüngeres, wenn auch gezähltes Publikum sprach die Lesung am Welttag der politischen Gefangenen in Leipzig an. Im sozio-kulturellen Zentrum in Leipzigs Süden las zum Auftakt Carl-Christian Elze aus den „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ von Dostojewski und verdeutlichte die Tradition Russlands im Umgang mit Menschen, die nicht die Meinung des jeweiligen Zaren vertreten.

Ralph Grüneberger, der Initiator der Veranstaltung und Herausgeber der Sammlung „Worthaft. Texte politischer Gefangener“, las Gedichte von Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach, die beide in der DDR mit Berufsverbot belegt worden waren und nach neun Monaten Untersuchungshaft 1977 nach West-Berlin ausgebürgert wurden.

Christine Hoba, die freundlicherweise für die erkrankte Katharina Bendixen eingesprungen ist, beeindruckte das Publikum mit dem Langgedicht „Massaker“ von Liao Yiwu, einem chinesischen Autor, der seit mehr als zehn Jahren in Berlin im Exil lebt, sowie mit dem Gedicht der Iranerin Atefeh Chaharmahalin „Ein Kleid für Zohreh“ und mit Auszügen aus deren Gefängnisnotizen.

Den literarischen Abschluss bildete Roman Israels Lesung von  Gedichten des aus Syrien geflohenen Dichters Yamen Hussein, der ebenfalls in Berlin im Exil lebt und ein früherer Stipendiat des Programms „Writers-in-Exile“ des PEN-Zentrums Deutschland ist. In seiner Lyrik besingt Hussein seine Wahlheimat München und gibt somit in Dankbarkeit ein Stück Beachtung an seinen Stipendienort zurück.

Im musikalischen Teil des Abends brachte der Leipziger Musiker Jörg Schneider, der u.a. der Formation „Three Forks“ angehört, vor allem Bluestitel zu Gehör.

Der herzliche Applaus galt allen Akteuren des Abends gleichermaßen.

Protest gegen neues Anti-LGBTIQA+-Gesetz in Uganda

PEN Deutschland und Writers-in-Exile verurteilen ein neues Gesetz, das homosexuelle Handlungen unter Todesstrafe oder lebenslange Freiheitsstrafe in Uganda stellt.

Stella Nyanzi
Foto: Wilfred Sanya_Centre for Legal Aid

Pressemitteilung, Darmstadt, 22. März 2023. „Es ist ein schrecklicher Tag für die Menschenrechte von LGBTIQA+-Menschen in Uganda. Das Gesetz liegt nun bei Präsident Yoweri Museveni, der es durch seine Unterschrift bestätigen muss, damit es in Kraft treten kann. Unterstützer der LGBTIQA+-Personen werden durch die Kriminalisierung ebenfalls zur Zielscheibe. Der Zugang zu einem Rechtsbeistand, das Recht auf Wohnraum, auf freie Meinungsäußerung und das Recht der Medien, Aufklärungsarbeit in Sachen Homosexualität zu leisten, werden nun kriminalisiert. Wie sollen wir nun noch schreiben können, um die Menschenrechte der LGBTIQA+-Personen zu verteidigen?“, so Stella Nyanzi, ugandische Dichterin, Wissenschaftlerin, Aktivistin sowie Writers-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN.

Der deutsche PEN ruft den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni auf, dieses Gesetz nicht zu unterzeichnen, und unterstützt den Protest der Menschenrechts-Aktivist*innen gegen diese eklatante Verletzung von Menschenrechten und sexueller Selbstbestimmung.

„A person who commits the offence of aggravated homosexuality and is liable, on conviction to suffer death“, heißt es in dem Gesetzentwurf, der von Robina Rwakoojo, der Vorsitzenden für rechtliche und parlamentarische Angelegenheiten, vorgetragen wurde. Von 389 Abgeordneten des ugandischen Parlaments votierten nur zwei gegen die erneute Verschärfung der aktuellen Gesetzgebung. Eine frühere Version dieses Gesetzesentwurfs rief scharfe Kritik auf internationaler Ebene hervor und wurde später von Ugandas Verfassungsgericht wegen Verfahrensfehler annulliert.

Für das PEN-Zentrum Deutschland

Astrid Vehstedt
Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637; Fax.: 06151/293414
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

27.04.2023 - 30.04.2023 – Der deutsche PEN auf der Leipziger Buchmesse 2023 – Veranstaltungen

In Halle 5 / Stand A 504 können Sie sich über die Arbeit des PEN Deutschland mit seinen Programmen Writers-in-Exile, Writers-at-Risk sowie über literarische Initiativen informieren. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Termine

 „Reden wir. Über Demokratie“ – Diskussion
Do 27.4., 10.30 – 11.15 Uhr
Ort: Messe – Forum Offene Gesellschaft (Halle: 4, Stand: E101)                             

Mit: Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Jan Philipp Reemtsma, Literatur- und Sozialwissenschaftler und Publizist, sowie Şehbal Şenyurt Arınlı, Filmemacherin, Autorin und ehemalige Writers-in-Exile-Stipendiatin, und einem afghanischen Journalisten und Writers-in-Exile-Stipendiaten
Moderation: Astrid Vehstedt, PEN-Vizepräsidentin und Writers-in-Exile-Beauftragte

Die Freiheit des Wortes ist ohne eine demokratische Gesellschaft kaum vorstellbar. Wie erleben Exil-SchriftstellerInnen, die in ihren Herkunftsländern verfolgt werden, weil sie die Freiheit des Wortes reklamieren, unsere Demokratie? Und wie steht es um unsere Demokratie und die Freiheit des Wortes?

„Schreiben zwischen Krieg und Frieden. Writers in Prison / Writers at Risk erzählen“ – Lesung, Gespräch, Musik
Fr 28.4., 18.30 – 20 Uhr
Ort: Altes Rathaus, Festsaal

Mit: Tanja Maljartschuk, Dževad Karahasan, Bachtyar Ali, Fiston Mwanza Mujila
Sprecher: Frank Arnold
Musik: Christoph Schenker (Cello)
Moderation: Cornelia Zetzsche (PEN-Vizepräsidentin – Writers-in-Prison/ Writers-at-Risk)

In der Ukraine ist keine Zeit für Romane. Literarische Texte müssen warten, sagt Tanja Maljartschuk. Jeder neue Roman von Bachtyar Ali ist eine Geschichte des Krieges in seiner Heimat Kurdistan. Dzevad Karahasan wurde mit seinem Kriegsbericht aus Sarajevo bekannt und beschreibt in seinem neuen Roman Menschen im Krieg. Fiston Mwanza Mujilas Romane und sein Gedichtband spielen im vom Bürgerkrieg versehrten, postkolonialen Kongo. Vier Biografien und Schreibweisen zwischen Krieg und Frieden mit Blick auf aktuelle Brennpunkte

” … die Liebe nicht vergessen” – Lyrik-Lesungen
Sa 29.4. 19 – 21 Uhr
Ort: Gohliser Schlösschen (Menckestraße 23, 04155 Leipzig)

Mit:Ulrich Beck,  Ralph Grüneberger, Dincer Gücyeter, Adel Karasholi, Angela Krauß, Dagmar Leupold
Musik: Die Lyrischen Saiten
Moderation: Ralph Grüneberger

Sechs Lyrikerinnen und Lyriker aus Deutschlands Norden, Süden, Osten und Westen widmen sich der Liebe, der Liebe zur Sprache und zum Leben, zu alldem, das in seiner Existenz jeden Tag stärker bedroht ist.

Weitere Informationen zum Programm sowie zu den Auftretenden

Gemeinschaftsveranstaltung: PEN-Zentrum Deutschland + Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik

REIHEN

Dialoge der Regionen, täglich, 13.30 – 14 Uhr
Ort: Messe Forum Offene Gesellschaft (Halle: 4, Stand: E101)
Moderation: Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin PEN Deutschland und Writers-at-Risk-Beauftragte

  • Do 27.4.: Das freie Wort
    Friedenspreisträger Liao Yiwu & Ma Thida (PEN International – Beauftragte Writers in Prison/ Writers at Risk)
  • Fr  28.4.: Brennpunkt Nahost
    Pegah Edalatian (stellvertr. Bundesvorsitzende der Grünen) & Schriftsteller Najem Wali (PEN-Präsidium)
  • Sa 29.4.: Wie aus Nachbarn Feinde werden
    Die Schriftsteller Dževad Karahasan (Bosnien) & Hugo Hamilton (Irland)
  • So 30.4.: Mitten in Europa – Die Ukraine
    Die Schriftsteller:innen Svetlana Lavochkina (Ukraine) & Ilija Trojanow (Deutschland)

Writers in Exile auf der Klimabuchmesse – Diskussion
Fr 28.4., 10 – 12 Uhr
Ort: Werk 2, Kochstraße 132, 04277 Leipzig

Mit Arshak Makichyan, russischer Klimaaktivist, Şehbal Şenyurt Arınlı, Filmemacherin, Autorin und ehemalige Writers-in-Exile-Stipendiatin, Stella Nyanzi, ugandische Dichterin, Wissenschaftlerin, Aktivistin sowie Writers-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN, Anise Jafarimehr, Schriftstellerin, Sprachlehrerin, Kulturaktivistin und Writers-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN, und einem afghanischen Journalisten
Moderation: Astrid Vehstedt

Veranstaltungen am PEN-Stand (Halle 5 Stand A 504)

Porträts, Geschichten, Gedichte mit Autor:innen, denen Sie schon immer einmal begegnen wollten. Die ganze Palette der vielseitigen Schriftstellervereinigung mit einem internationalen Netzwerk.

  • Do 27.4., 10.45/ 11-11.45 Uhr PEN-Mitglieder stellen sich vor
    Gesprächsführung: PEN-Generalsekretär Michael Landgraf
  • Fr 28.4., 11.45/ 12-12.45 Uhr PEN-Mitglieder stellen sich vor
    Gesprächsführung: PEN-Schatzmeister Ralph Grüneberger

Writers in Exile stellen sich vor, tägl. 13.45/ 15 – 14.45 Uhr
Women.Life.Freedom: Exil-Autor*innen lesen und diskutieren über Demokratie und Freiheit”

  • Do 27.4. Irak/ Eritrea/Uganda
    Lesung und Gespräch mit Mubeen Kishany (Irak)
    Diskussion mit Yirgalem Fisseha Mebrathu (Eritrea) und Stella Nyanzi (Uganda)
    Moderation: Astrid Vehstedt
  • Fr 28.4. Iran/Afghanistan/ Türkei
    Diskussion mit Anisa Jafarimehr und afghanischem Journalisten
    Moderation: PEN-Präsidiumsmitglied Najem Wali
    Lesung von Şehbal Şenyurt Arınlı (Türkei)
    Deutsche Übersetzung von PEN-Präsidiumsmitglied Uli Rothfuss
  • Sa 29.4.: Türkei/ Simbabwe
    Lesung in türkischer Sprache von Barbaros Altuğ
    Deutsche Übersetzung von José F.A. Oliver, Präsident des PEN Deutschland
    Diskussion/Vortrag (engl.): Collen Kajokoto (Simbabwe) und Stella Gaitano (Süd-Sudan)
    Moderation: Astrid Vehstedt
  • So 30.4. Syrien/ Belarus
    Performance und Gedichte (arabisch): Kholoud Charaf (Syrien)
    Deutsche Übersetzung von Najem Wali
    Lesung/Gedichte und Gespräch (russ./engl.): Zmicier Vishniou (Belarus)
    Deutsche Übersetzung von Astrid Vehstedt

Writers in Prison/ Writers at Risk – Lesungen, tägl. 14.45/ 15 – 15.45 Uhr
PEN-Mitglieder lesen Texte verfolgter Autor:innen
Ort: Halle 5 Stand A 504
Geschichten und Gedichte von Salman Rushdie, Selahattin Demirtaş, Tsitsi Dangarembga, Atefeh Chamarhalian u.a.
Moderation: Cornelia Zetzsche

  • Do 27.4.: José F.A. Oliver, Michael Köhlmeier, Angela Krauß
  • Fr 28.4.: Ulrike Draesner, Najem Wali u.a.
  • Sa 29.4.: Dagmar Leupold, Daniela Dahn u.a.
  • So 30.4.: Ilija Trojanow, Carl-Christian Elze, Katharina Bendixen u.a.

115 Übergriffe auf Autorinnen und Autoren

PEN veröffentlicht weltweite Case List 2022 zur Situation von Schriftstellerinnen und Schriftstellern

Pressemitteilung, Darmstadt, 21. März 2023. Das deutsche PEN-Zentrum hat die Case List des PEN International, seiner internationalen Dachorganisation, für das letzte Jahr veröffentlicht. Die Statistik dokumentiert 115 Fälle von Autorinnen und Autoren, die weltweit Schikanen, Verhaftungen, Gewalt und sogar dem Tod ausgesetzt sind, und wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten und Risiken, denen sich Schriftstellerinnen und Schriftsteller ausgeliefert sehen, wenn sie sich unvoreingenommen äußern wollen.

Für Journalistinnen und Journalisten auf dem amerikanischen Kontinent war das letzte Jahr das gefährlichste der letzten 24 Jahre. Insgesamt 31 von ihnen wurden 2022 in Nord- und Südamerika umgebracht und damit fast die Hälfte der 68 Medienschaffenden, die weltweit 2022 ihr Leben lassen mussten. Mexiko gilt weiterhin als das gefährlichste Land der Welt für Journalisten außerhalb aktiver Kriegsgebiete.

„Angesichts der Brennpunkte Ukraine und Iran gerät leicht aus dem Blick, welche Repressionen Autoren und Journalisten weltweit erdulden: in Bahrain, Ägypten, China oder Simbabwe; in Belarus, wo Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski gerade zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde, nur weil er eine Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte gründete; in der Türkei, wo tausende jahrelang hinter Gittern sind,auch Prominente wie der Verleger Osman Kavala oder der Politiker und Schriftsteller Selahattin Demirtaş, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ihre Freilassung fordert. Die Case List bringt diese Fälle wieder ans Licht, ist also ein überaus wichtiges Dokument“, so Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin und Writers-in-Prison-Beauftragte des deutschen PEN.

In nahezu allen Weltregionen wurden Schriftstellerinnen und Schriftsteller wegen angeblicher Verstöße gegen die nationale Sicherheit festgenommen, gefoltert und ihrer Freiheit beraubt. In einigen Ländern sahen sich Schriftsteller gezwungen, zu fliehen, wie etwa aus Myanmar und Afghanistan. In mehreren Ländern, darunter Kuba und Nicaragua, kam es durch Zwangsausweisungen und dem damit verbundenen Exil der Autorinnen und Autoren.

„Beeindruckend ist der Mut einer Atefeh Chaharmahalian in Iran oder einer Tsitsi Dangarembga in Simbabwe, die sich auch mit Gerichtsurteilen nicht zum Schweigen bringen lassen. Ihr Einsatz für die Zivilgesellschaft in ihren Ländern zeigt uns, wie fragil Demokratien sind. Ihr Engagement fürs freie Wort ist unsere Verpflichtung“, sagte Cornelia Zetzsche.

Die vollständige Case List, welche jährlich die Informationen zu aktuellen Fällen bündelt und aktualisiert, mitsamt Länderberichten, Informationen zur Writers-in-Prison-Arbeit des PEN sowie der weltweiten Situation der Meinungsfreiheit ist abrufbar auf der Internetseite des deutschen PEN.

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637; Fax.: 06151/293414
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

Abschied von Heinrich Peuckmann in Kamen

Ein Bericht von Andreas Rumler,
Förder- und Freundeskreisbeauftragter des PEN Deutschland,
über die Trauerfeier für unseren ehemaligen Generalsekretär Heinrich Peuckmann

Heinrich Peuckmann

Als wir morgens in Kamen anreisten, schweren Herzens, und mit dem Wagen vor der Lutherkirche in der engen Kampstraße standen, unschlüssig, wo man parken könne, nach Hilfe Ausschau haltend, wurde uns sofort klar, warum Heinrich Peuckmann seine Stadt geliebt hatte und was er wohl vielen Bürgern bedeutet haben mochte, wie nah er ihnen stand: „Wollt ihr zu Heinrich?“ fragte spontan ein freundlicher älterer Herr, noch ehe wir in der Lage waren, das Auto auch nur zu wenden und zeigt uns gleich den Weg zum Parkhaus. Liebenswürdig und hilfsbereit haben wir die Menschen dort an dem Vormittag mehrfach erlebt und genau so einer war Heinrich Peuckmann. Vor der Kirche hatte sich bereits, lange vor dem Beginn der Trauerfeier, eine größere Gruppe versammelt.

Ein sonniger Morgen, mild und warm, vor den Cafés saßen Gäste bei Kaffee und Säften zum Frühstück, genossen Croissants, belegte Brötchen und allerlei Kuchen. Fast bis auf den letzten Platz besetzt waren die Bänke der Lutherkirche, auch von deutlich jüngeren Leuten: seinen Schülern. Mehrfach kamen Helfer und baten, doch noch ein wenig enger zusammen zu rücken. So viele Menschen waren gekommen, Abschied zu nehmen. Heinrich Peuckmanns Freunde und Kollegen waren von weit her angereist, hatten vor Ort übernachtet, um ihm ein letztes Mal nahe sein zu können. Beeindruckend war, wie viele Personen hier noch einmal gemeinsam erschienen waren, ihm ein letztes Mal in seiner Heimat zu begegnen. Auch die Bürgermeisterin der Stadt Kamen, Frau Elke Kappen, war anwesend.

Bekannt war er war in der Stadt, sein Elternhaus steht in der Nähe der Lutherkirche. Seine Söhne berichteten, dass es Zeit gekostet habe, mit ihm durch die Straßen Kamens zu flanieren, weil er immer wieder von Bekannten, viele seiner Schüler darunter, angesprochen wurde. Verdient gemacht hat er sich um seine Heimatstadt, weil er dort häufig Lesungen und andere Kulturveranstaltungen organisierte. Nicht zuletzt für den PEN. Und auch unsere Stipendiaten betreute er gemeinsam mit Freunden hier vor Ort. Dieses soziale Anliegen, Menschen einander nahezubringen, ihr Leben und ihre Arbeitsbedingungen im Blick zu behalten, durchzieht Heinrich Peuckmanns literarische Arbeit von Beginn an. Erstmals begegneten wir uns auf Tagungen des gewerkschaftsnahen Werkkreises „Literatur der Arbeitswelt“ Ende der 70er Jahre, etwa in München. Legendär war Heinrich Peuckmanns Gastfreundschaft, wenn er in seinem Garten zu Grillfesten einlud.

Auch als Gymnasiallehrer war Heinrich Peuckmann sich seiner Nähe zur arbeitenden Bevölkerung stets bewusst. Als er uns anlässlich einer P.E.N.-Tagung durch ein museales Zechengelände in Dortmund führte, angepriesen als: „Eine Ikone der Industriekultur aus Stahl und Glas ist die Maschinenhalle mit dem buntverglasten Jugendstilportal. Entdecken Sie die „Schönste im ganzen Land“, schauen Sie hinter die prunkvollen Backsteinfassaden“ – gemeint war die Zeche Zollern –, erzählte er amüsiert, wie er den Eltern eines Schülers einmal seine Rolle als Lehrer verdeutlicht hatte: „Gesagt habe ich ihm: ‚Sie sind doch Steiger, Ihr Wort gilt unter Tage.‘ Hier oben, vor der Klasse, bin ich der Steiger.‘ Und das hat ihn überzeugt.“

Orgelklänge stimmten die Trauergemeinde ein, Kerzen brannten, ein Bild zeigte Heinrich Peuckmann neben dem Altar. Und seine drei Söhne Lukas, Simon und Niklas hatten eine unglaublich liebenswürdige Idee gehabt, dem Geist und Charakter ihres Vaters entsprechend. Symbolisch hatten sie einen Schreibtisch aufgebaut, einen leeren Stuhl davorgestellt, als hätte der Autor seinen Arbeitsplatz eben für eine kurze Pause verlassen. Blumen schmückten den Tisch, auf einer kleinen Staffelei hatten sie eines seiner Gedichte aufgestellt: „Verweht“ heißt es. Mit der Endlichkeit beschäftigte er sich darin. Es beginnt: „Was wird bleiben/ da in den Bäumen die Zeit weht// Nicht das Blatt, auf dem ich schreibe/ nicht der Stuhl, auf dem ich sitze/ nicht der Boden, der unter meinen Füßen knarrt“ und endet: „Ein Wort wird bleiben/ gesprochen zwischen uns/ verweht im Bruchteil/ der Sekunde.“

Einige Bände seines großen Œuvres standen und lagen auf dem Tisch, Papier und Stifte daneben, eine Kerze brannte. Die Symbolik des leeren Stuhls war hier leider gleich doppelt sinnvoll. Einerseits weisen wir im PEN mit Bildern verfolgter Autoren auf diesem leeren Stuhl auf das Schicksal von Kollegen hin, die gewaltsam zum Schweigen gebracht werden. Andererseits fühlte auch er sich verfolgt, weil er nach mehreren erfolgreichen Amtszeiten im Vorstand gegen Ende seiner Arbeit für den PEN in übler Weise beschimpft und verleumdet worden ist, in einem Umfang, wie man ihn in einem Autorenverband nicht für möglich halten sollte. Diese Infamien und Intrigen haben seiner Gesundheit sehr geschadet.

Stolz war Heinrich Peuckmann auf seine Familie, bangte mit, wenn es den Enkeln gerade nicht gut ging, hatte noch vor wenigen Monaten mit Genugtuung berichtet, dass sein Sohn Niklas als Pastor einen Weihnachtsgottesdienst gestaltet hatte. Dass ihm jetzt die Aufgabe zufallen sollte, diesen Abschied zu zelebrieren, wäre Niklas Peuckmann damals wohl noch nicht in den Sinn gekommen. Wie er das mit fester Stimme souverän meisterte, innerlich gewiss zerrissen und verzweifelt, war schon beeindruckend. Dietrich Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ erklang und trug dazu bei, die Trauer und den Schmerz erträglicher werden zu lassen.

Großartig ergänzten sich die Beiträge zweier Kolleginnen. Unsere frühere Präsidentin Regula Venske, vor Heinrich Peuckmann hatte auch sie längere Zeit das Amt der Generalsekretärin in Deutschland inne und setzt sich inzwischen für den PEN-International ein als International Secretary, nimmt die Aufgaben einer Generalsekretärin unseres internationalen Dachverbandes wahr, sie ließ noch einmal die gemeinsame Arbeit seit 2013 Revue passieren und richtete der Familie und allen Freunden im deutschen PEN einen Beileidsgruß des internationalen PEN-Präsidenten Burhan Sönmez aus. Regula Venske, seit 2015 Mitglied des Boards, repräsentierte den internationalen Charakter unseres Vereins. Und sie zitierte unseren Ehrenpräsidenten Christoph Hein: „Er stritt und kämpfte unverdrossen, so sehr ihn auch Angriffe auf seine Person verletzten und seine Gesundheit ruinierten. Ohne Leute wie Heinrich Peuckmann hätte unser PEN niemals seine Arbeit und seine Pflichten so zweifelsfrei, korrekt und umfassend erfüllen können.“

Seine Herzenswärme und menschliche Nähe hob Regula Venske hervor: „Der Generalsekretär solle als eine Art Feel good-Manager wirken, las ich einmal, und so haben Hermann Korte – der langjährige Schatzmeister des PEN – und ich Dich denn auch manchmal im Scherz genannt: unseren Feel good-Manager.“ Abschließend zitierte und variierte sie Matthias Claudius, erinnerte an dessen Gedicht „Bei dem Grabe meines Vaters“, war Heinrich Peuckmann doch für viele unserer Kollegen angesichts seiner freundschaftlichen Natur durchaus so etwas wie ein Bruder oder Vater: „Ach, sie werden / Einen guten Mann begraben, / Und mir – uns – war er mehr …“

Wandte Regula Venske sich dem gemeinsamen Engagement für den PEN zu, so verband Petra Reski auch die Herkunft mit Heinrich Peuckmann, und zwar in mancherlei Hinsicht. Beide wuchsen sie in Kamen im Ruhrgebiet auf, teilten Erfahrungen als Kinder von Bergleuten. Etwa die Sorge um das Schicksal der Hauer unter Tage. Petra Reski begann mit einer Erinnerung: „Kommse vorbei, wennze bei deiner Mamma biss?, fragte Heinrich immer, wenn ich einen Besuch im Ruhrgebiet ankündigte.“

Damit war ein Ton gesetzt, der dieser Abschiedsfeier ihre Schwere und Bitterkeit nahm. Und sie fuhr fort: „Heinrich Peuckmann gehörte für mich zu meiner Heimatstadt Kamen wie die Zeche Monopol, auf der mein Vater starb. Jenes Schattenreich aus Fördertürmen, Zechensiedlungen, rußgeschwärztem Backstein und Kohlenhalden war es – auch – das uns verbunden hat: Wir sind beide Kinder von Bergmännern. Heinrich beschloss früh, Schriftsteller zu werden – ein Berufswunsch, der in einer Bergmannsfamilie ungefähr ähnlich ernst genommen wird wie der Wunsch, Balletttänzer zu werden.“ Er habe sich eingesetzt, „dass die Literatur nicht nur über das Ruhrgebiet, sondern auch im Ruhrgebiet weiterlebte – und das, als hier noch keine Spur war von Literaturbüros, Literaturhäusern, Literaturfestivals.“

Konkret bedeutete das ein Engagement für Kamen: „Literatur muss nicht zwingend nur in Großstädten stattfinden, fand Heinrich – und so stellten syrische, russische, eritreische, irakische, belarussische und kurdische Schriftsteller in Kamen ihre Werke vor. Als Schülerin hätte ich mir ein so vielfältiges Literaturprogramm gewünscht, wie es Heinrich in Kamen mit seinem Freund Bernhard Büscher vorangetrieben hat.“ Dass Petra Reski inzwischen mit ihren Büchern und Filmen international Bekanntheit erlangt hat, weil sie mit journalistischen und literarischen Mitteln gegen die Mafia und für den Erhalt und Bestand Venedigs kämpft, belegt einmal mehr, dass Kamen offenbar ein guter Ausgangspunkt für Literaten und Literatur ist – aber darauf wies uns Heinrich Peuckmann ja schon seit Jahren hin. Stets war ihm der humane Aspekt wichtig, sagte Petra Reski: „In Heinrichs Werk spüren wir in jeder Zeile seine Zärtlichkeit, seine tiefe Menschenliebe, seine Selbstlosigkeit.“

Das wurde mir einmal mehr deutlich nach der Feier, als sich die Trauergemeinde in ein nahe gelegenes Café zurückgezogen hatte, auch wieder auf seinen Spuren, es handelte sich um eines seiner Lieblingsrestaurants, und sich dort die Gelegenheit ergab, mit Freunden und Kollegen Erfahrungen und Erlebnisse auszutauschen. An einem Tisch kam ich mit drei jungen Männern ins Gespräch, ehemaligen Schülern, wie sich rasch herausstellte. Begeistert waren sie von ihm noch lange nach ihrem Abitur. Er habe ihnen viel gegeben für den weiteren Lebensweg. Einer berichtete, eigentlich hätte er die Anzahl der für das Abitur notwendigen Hauptfächer bereits belegt, aber den Wunsch verspürt, darüber hinaus, quasi neben seiner Pflicht auch noch den Kurs von Heinrich Peuckmann im evangelischen Religionsunterricht zu besuchen, als eine Art Kür gewissermaßen. Das habe Heinrich Peuckmann gern unterstützt. Es dürfte nicht sehr viele Lehrer geben, an die ihre Schüler sich wirklich anerkennend erinnern. Sie werden ihn nicht vergessen und genau so geht es uns: Wir werden ihm ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren.