Der PEN Podcast #9

Zwei Jahre Militär-Junta in Myanmar.
Ma Thida von PEN International zur Lage heute

Pressemitteilung, Darmstadt, 30. Januar 2023. Am 1. Februar 2021 putschte das Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi. Es gab hunderte Todesopfer und tausende Festnahmen. Heute sitzt die einstige Regierungschefin im Gefängnis, aber die Revolution lebt, sagt Ma Thida, Schriftstellerin aus Myanmar, Writers at Risk Beauftragte des Internationalen PEN im PEN Podcast. Das übersetzte Transkript der Folge können Sie hier nachlesen.

Journalisten zu Zwangsarbeit verurteilt, über 13 000 Oppositionelle in Haft, 2810 Todesopfer, 7000 Gefechte, Luftangriffe auf Zivilisten, hunderttausende Binnenflüchtlinge und ein Exodus in andere Länder; dazu verbrannte Dörfer, über 38 000 niedergebrannte und niedergerissene Häuser, als Schlag gegen die Bevölkerung, und in Folge zehntausende Obdachlose in den Städten. Das ist die katastrophale Bilanz der Militärjunta in den zwei Jahren ihres Regimes. Private Krankenhäuser müssen schließen, internationale Unternehmen verlassen das Land.

Während die Militärmachthaber für 2023 Wahlen in Aussicht stellen, bemüht sich die Nationale Unabhängige Regierung um internationale Anerkennung als einzige demokratisch legitimierte Volksvertretung. Unterstützt vom bewaffneten Widerstand im eigenen Land, von einer UN-Resolution im Dezember 2022, die von der Junta ein Ende der Gewalt fordert, und von den USA, die der Opposition fast zeitgleich auch materielle Hilfe zusprachen.

Reporter ohne Grenzen listet Myanmar im Weltfreiheitsindex 2022 zusammen mit China, Iran, Nordkorea auf dem letzten Platz und fordert die sofortige Freilassung eines erfahrenen Journalisten wie Sithu Aung Myint. Der Reporter von Voice of America war im Dezember zu weiteren sieben Jahren Haft verurteilt worden, er habe versucht, „Hass“ gegen die Armee und gegen Beamte von Myanmar zu schüren, lautete die Anklage. Reporter Ko Soe Yarzar erhielt vier Jahre Haft wegen der Verbindung zu „verbotenen Vereinigungen“. Berufung ausgeschlossen, die Justiz fungiert als Instrument der Junta.

PEN-Mitglied Wai Moe Naing, 26 Jahre jung, Schriftsteller und Aktivist, des Hochverrats beschuldigt, ist wegen seiner Proteste zu über zehn Jahren Haft verurteilt. Wie viele andere. Reporter ohne Grenzen erklärte, seit dem Militärputsch von 2021 sei Myanmar, im Verhältnis zur Größe des Landes, zum weltweit größten Gefangenenhalter von Journalisten geworden.

Und zum Henker: Kyaw Min Yu, genannt Ko Jimmy, Schriftsteller, Bestseller-Autor und Mitglied der Studentengruppe 88er, hatte noch in jahrelanger Haft Kurzgeschichten verfasst. Angeklagt wegen seines Engagements gegen die Junta, wegen seiner Beiträge in den Sozialen Netzwerken, beschuldigt die Öffentliche Ruhe zu stören und zu Unruhen gegen den Staat aufzustacheln, wurde er am 23. Juli 2022 hingerichtet.

„Die Berufung und einen fairen Prozess zu verweigern sind, wie die Hinrichtungen, ein zynischer Versuch, den abscheulichen Gebrauch einer tödlichen Macht hinter einem Schleier von Legalität zu kaschieren. Mit diesen Hinrichtungen zeigt die Militärjunta ihre mörderischen Absichten gegen ihre Bürger und die offene Verachtung internationaler Menschenrechte und Verpflichtungen“, erklärte Ma Thida, Writers in Prison/ Writers at Risk Beauftragte des PEN International, sie sieht den Versuch, die Opposition mundtot zu machen, als gescheitert. Dadurch würden kritische Nachrichten umso mehr verbreitet. Die Revolution sei lebendig, auch nach zwei Jahren Diktatur, sagt Ma Thida aus Myanmar, Autorin, Ärztin, in den 80er Jahren zu 20 Jahren Haft verurteilt, vor allem weil sie Aung San Suu Kyi unterstützt hatte. Im PEN Podcast ist Ma Thida zu hören, im Gespräch mit Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin und Writers in Prison/ Writers at Risk Beauftragte des deutschen PEN.

Für das PEN-Zentrum Deutschland

Cornelia Zetzsche
Vizepräsidentin und Writers in Prison/ Writers at Risk Beauftragte

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

Zwei Mitglieder des PEN-Zentrums Deutschland geehrt

Andreas Reimann
Foto: Dieter Ramke

Am 21. Januar erhielt der Leipziger Lyriker Andreas Reimann den Lessing-Preis des Freistaates Sachsen. Das Kuratorium begründet seine Entscheidung für den 1946 in Leipzig geborenen und hier lebenden Dichter mit dem Verweis auf dessen poetisches Werk, das „unfassbar umfangreich, vielgestaltig, streitbar und formal immer wieder überraschend“ sei. Nie habe er sich an die Rockschöße der Macht gehängt. Und da sind noch seine zärtlichen und aufbegehrenden Lieder, die er für Chanson-Interpreten geschrieben hat. „Bei aller klassischen Strenge verleugnet Reimann nicht ein anderes Erbe – das der lyrischen Moderne. Er weiß Klangmagie ebenso für sich zu nutzen wie die paradoxen Möglichkeiten von Bildern.“

Jenny Erpenbeck,
Foto: PEN-Zentrum Deutschland

 

Drei Tage zuvor, am 18. Januar, gab die Stadt Chemnitz die diesjährige Preisträgerin des Internationalen Stefan-Heym-Preises bekannt. Ausgezeichnet wird am 1. April die Berliner Romanautorin,  Essayistin, Regisseurin und Dramatikerin Jenny Erpenbeck. Das Kuratorium, in dem durch das Präsidiumsmitglied Ralph Grüneberger das PEN-Zentrum Deutschland vertreten war, fasste seine Entscheidung einstimmig und würdigt mit der Preisverleihung eine Autorin, „die sich kritisch mit brisanten und aktuellen gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzt und diese in einer klaren und verständlichen, zugleich aber die Komplexität der verhandelten Probleme und Konstellationen spiegelnden Literatursprache präsentiert. Dabei verknüpft sie in ihrem Werk stets das Besondere mit dem Allgemeinen, indem sie die vielfältigen Zusammenhänge und Abhängigkeiten individueller Schicksale und Beziehungen von gesellschaftlichen und historischen Dimensionen deutlich werden lässt.“

26.01.2023, 19:30 Uhr – Geborene Emigranten? Das Schreiben in der Fremde – mit Kholoud Charaf

Wie ist es, erzwungenermaßen in der Fremde schreiben zu müssen? Und warum ist die Aufnahme gefährdeter Autorinnen und Autoren so wichtig?

Kholoud Charaf
Foto: Maximilian Gödecke

Darüber spricht Writers-in-Exile-Stipendiatin Kholoud Charaf aus Syrien mit am Donnerstag, 26. Januar 2023, im Literarischen Colloquium Berlin mit dem polnischen Schriftsteller Tomasz Różycki, der Lyrikerin und Übersetzerin Dagmara Kraus und dem Herausgeber Till Greite.

Maurice Läbe liest dazu aus Briefen von Witold Gombrowicz, seit 1939 im argentinischen Exil lebend, und 1963 wie Ingeborg Bachmann oder Igor Strawinsky auf Einladung der Ford Foundation in der geteilten Stadt Berlin.

Mehr Informationen

In Zusammenarbeit mit SINN UND FORM und der Akademie der Künste.

Offener Brief an die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock

Darmstadt, 9. Januar 2023

Sehr geehrte Frau Außenministerin Baerbock,

inmitten aktueller Brennpunkte wenden wir uns mit einem dringenden Anliegen an Sie, denn nicht nur in der Ukraine sterben Menschen, Henker sind auch anderswo tätig, und Ihre Äußerungen zu den Hinrichtungen im Iran dieser Tage, Ihre Reden für Oppositionelle und Menschenrechtler, haben Gewicht.

Seit vier Monaten erreichen uns aus dem Iran bestürzende Nachrichten:

Der 23jährige Mohsen Shekari hingerichtet, Majidreza Rahnavard öffentlich gehängt, der inhaftierte Blogger Hossein Ronaghi in kritischem Gesundheitszustand, Rapper Toomaj Salehi gefoltert, der kurdische Rapper Saman Yasin zum Tode verurteilt, Hinrichtungen, Folter, Scheinprozesse, über 450 Demonstranten getötet, über 18 000 seit September verhaftet, und die Gewalt hat kein Ende. Wir wissen, die Todesurteile und brutalen Festnahmen sind Strafe und Abschreckung, um führende Stimmen der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen und klarzumachen, dass Menschenrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit in Iran nichts gelten. Die Eskalation der Lage erinnert fatal an die Hinrichtungen und den staatlichen Terror der 1990er Jahre.

Seit Beginn der Proteste erklärt sich das deutsche PEN-Zentrum immer wieder solidarisch mit Bürger:innen in Iran, die um ihre Menschenrechte ringen. Zielscheibe des Regimes, seiner Unrechtsurteile und barbarischen Exekutionen sind insbesondere Intellektuelle, Künstler:innen, Schriftsteller:innen, kurz: Menschen des Wortes, für die wir uns einsetzen. Der iranische Schriftstellerverband kämpft seit Jahrzehnten gegen Zensur und Repression.

Atefeh Chaharmahalian, Dichterin und Aktivistin, war Vorsitzende des iranischen Schriftstellerverbands und half Kindern wie Erwachsenen in Not, in Kurdistan und Teheran. Am 3. Oktober wurde sie mit anderen in Teheran festgenommen. 71 Tage war sie in Haft im Evin-Gefängnis, anfangs in bedrückender Enge, fast ohne Kontakt zu ihrer Familie, ohne dringend notwendige medizinische Versorgung. Erst spät konnten sich ihre Anwältinnen bei Gericht registrieren lassen. Am 13. Dezember kam Atefeh Chaharmahalian, für die sich der deutsche PEN mit Unterschriftenaktionen und Briefen an die iranische Botschaft in Berlin vehement eingesetzt hatte, gegen eine hohe Kaution frei. Jetzt wurde ihr Urteil zugestellt: zwei Jahre und acht Monate Haft, ausgesetzt auf fünf Jahre, in denen sie sich in keiner Weise öffentlich äußern darf, auch nicht mit einem Gedicht. Für die Autorin und Aktivistin ist das ein sozialer Tod, sie wird unsichtbar gemacht, verstummt und verschwindet.

Mozghan Kavousi, Schriftstellerin, Sprachforscherin, Aktivistin, wurde am 22.September in ihrer Wohnung verhaftet, nachdem sie schon 2020/ 2021 für 21 Monate im Gefängnis gewesen war und zwei Hungerstreiks überstanden hatte – immer unter Verdacht als Frau, als Nicht-Muslimin und Anhängerin der kurdischen Yarsani-Religion und wegen ihrer Forschung und Lehrtätigkeit zur Pflege der kurdischen Sprache. Die Anklage lautete: „corruption on earth“, damit meinen Vertreter der Revolutionsgarden den Verstoß gegen die Scharia und göttliche Gesetze auf Erden; Dazu kommen Anschuldigungen wie die Beleidigung der Regierung, Propaganda gegen das Regime, Untergraben der nationalen Sicherheit, Kollaboration mit feindlichen Regierungen. Gerade wurde sie zu 59 Monaten Gefängnis verurteilt, mindestens aber zu 39 Monaten.

Die Justiz ist im Iran Teil des Repressionsapparates, wir dürfen da nicht tatenlos bleiben.

Soroush Mozaffar Moghadan, Schriftsteller, Journalist und Aktivist floh im November 2022 in die Türkei und strandete dort, wie viele andere Autor:innen. Ihre Visa laufen ab, sie sollen in den Iran zurück, um ein Visum für Deutschland zu beantragen, landen in der Illegalität, haben keinerlei Einkommen, erkranken, wissen nicht weiter, leben in Angst, weil türkische und iranische Polizei und Geheimdienste kooperieren. Wie kann es für sie weitergehen?

Soroush Mozaffar Moghadan, Mozghan Kavousi, Atefeh Chaharmahalian stehen stellvertretend für den Kampf um Meinungsfreiheit, Sprache und Identität.

„Mein Volk ist verwundet, und die Wunde blutet“, sagte der Schriftsteller Amir Cheheltan im PEN-Podcast. Auch wenn die Brutalität durch nichts zu stoppen scheint, wollen wir handeln.

Sie, werte Frau Ministerin, sprachen mit Blick auf Sanktionen gegen Verantwortliche im Iran, völlig zu Recht, von „unglaublichen Verbrechen“.

Wir fordern: Solidarität und Humanität für die Protestierenden in Iran:

  • Geben Sie den „unglaublichen Verbrechen“ ein Gesicht:
  • Nennen Sie die Opfer beim Namen und fordern sie ihre Freilassung
  • Erleichtern Sie legale und rasche Einreisemöglichkeiten nach Deutschland/ in die EU für oppositionelle Autor:innen, denen im Iran hohe Strafen drohen und für jene, die vor Haft und Folter flohen, unterwegs strandeten, in der Türkei etwa erneut bedroht sind und vergeblich im deutschen Konsulat um Hilfe und einen Termin bitten
  • Ermöglichen Sie für iranische Oppositionelle ein spezielles Kontingent-Programm, wie für Ukrainer oder für Ortskräfte aus Afghanistan, ohne langwierige Bürokratie
  • Unterstützen Sie Stimmen der Zivilgesellschaft in Iran – auch finanziell
  • Helfen Sie denen, die für das freie Wort im Iran eintreten
  • Schaffen Sie Fluchtmöglichkeiten und Lebensräume, die letztlich Menschenleben retten.

Mit freundlichen Grüßen,

Cornelia Zetzsche                                          Michael Landgraf
PEN-Zentrum Deutschland                            PEN-Zentrum Deutschland
Vizepräsidentin – Writers in Prison/               Generalsekretär
Writers at Risk Beauftragte

 

Stipendiat*innen im Exil: Das Writers-in-Exile-Programm des PEN Deutschland auf Erfolgsspur

Pressemitteilung, Darmstadt, den 20. Dezember 2022.
„Trotz des turbulenten Jahres 2022 beim PEN Deutschland konnten wir in unserem wichtigen Programm Writers-in-Exile große Erfolge verbuchen“, resümiert Astrid Vehstedt, Vizepräsidentin des PEN und Beauftragte für dieses Programm.

Sie ist froh, dass mit dem seit Oktober agierenden Präsidium auch Ruhe für ihre Arbeit eingekehrt ist, zumal im Sommer das Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM) eine Aufstockung der Stipendienplätze von 12 auf 15 zugesichert hat. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten werden von Vehstedt sowie von mehreren Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle des PEN in Darmstadt betreut.
2022 konnten sechs „Neue“ begrüßt werden: Stella Nyanzi und Kakwenza Rukirabashaija aus Uganda, Farhad Jahanbeighi aus dem Iran, Stella Gaitano aus dem Südsudan, Dmitri Vishnyou aus Belarus, Collen Kajokoto aus Zimbabwe sowie im Sonderprogramm Ukraine Evgenija Spashenko. Zusätzlich kam Pezhman Golchin aus dem Iran als Elsbeth-Wolffheim-Stipendiat der Stadt Darmstadt hinzu.

„Zu unserem Programm gehört die Betreuung von der Visa-Erstellung bis zur Wohnung“, erläutert die Vizepräsidentin. Doch gehört zum Gen von Literatinnen und Literaten auch das Kreative. Daher ermöglicht der PEN Deutschland Veranstaltungen und Publikationen. „Wir führten zahlreiche Veranstaltungen in Berlin, Hamburg, Magdeburg, Leipzig, Gotha, Düsseldorf, Frankfurt, Bonn und Kamen sowie in München durch, aber auch Online-Aktionen“, erinnert Vehstedt.

Außerdem erschienen die vom PEN in Auftrag gegebenen Publikationen „Leben aus dem Koffer“ von Şehbal Şenyurt Arınlı, „Halb Vogel bin ich, halb Baum“ mit Gedichten von Umar Abdul Nasser sowie das von Harald Roth herausgegebene Buch „Kein Land, nirgends? Flucht aus Deutschland, Flucht nach Deutschland.“ Weiterhin erschien eine Foto-Lyrik-Ausstellung über die Stipendiatinnen und Stipendiaten unter den Titel „Weil ich beschlossen habe, mich nie bezwingen zu lassen.“ Die im September 2022 vom Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch eröffnete Ausstellung des Berliner Fotografen Max Gödecke wird 2023 durch die Republik wandern.

Vizepräsidentin Vehstedt ist dankbar, dass ein enges und konstruktives Zusammenarbeiten mit dem Bundesministerium besteht. „Besonders der Gedankenaustausch am Stand des PEN auf der Frankfurter Buchmesse mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth und unserem Stipendiaten Baktash Siawash über die Situation in Afghanistan ist mir in guter Erinnerung.“

Das Writers-in-Exile-Programm ist ein Stipendienprogramm für verfolgte Autorinnen und Autoren, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Seit 1999 sind mehr als sechzig Literatinnen und Literaten Stipendiaten dieses Exil-Programmes gewesen. Bis zu drei Jahre stellt das deutsche PEN-Zentrum verfolgten Autorinnen und Autoren eine möblierte Wohnung zur Verfügung, dazu ein monatliches Stipendium. Die Kolleginnen und Kollegen vom deutschen PEN bringen sie in Kontakt mit Verlegerinnen und Verlegern in ihrer Umgebung.

 

Pressekontakt:
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/23 120; Fax.: 06151/293414
E-Mail: presse [at] pen-deutschland [dot] de

 

IRAN BRENNT

Atefeh Chaharmahalian
Foto: cpiran

Das deutsche PEN-Zentrum fordert ein Ende staatlicher Gewalt, die Freilassung der inhaftierten Protestierenden und Freispruch für Atefeh Chaharmahalian!

Pressemitteilung, Darmstadt, den 15. Dezember 2022. Anfang Oktober wurde, im Zuge der Proteste im Iran, die Lyrikerin und ehemalige Vorsitzende des iranischen Schriftstellerverbands Atefeh Chaharmahalian in Teheran festgenommen. 71 Tage war sie in U-Haft im Evin-Gefängnis, anfangs ohne Kontakt zu ihrer Familie und ohne medizinische Versorgung, dann erkrankte sie. Statt ins Krankenhaus, sollte sie vor Gericht gebracht werden.

Am 13. Dezember kam die Nachricht: Atefeh Chaharmahalian, für die der PEN seit Haftbeginn eintritt, wurde auf Kaution freigelassen. Das Urteil wird in Kürze erwartet. Erst spät erfuhr sie die Anklage, erst sehr spät konnten sich ihre Anwältinnen bei Gericht registrieren lassen.

Dies und die Tatsache, dass Atefeh Chaharmahalian und anderen politischen Häftlingen juristischer Beistand erschwert oder ganz verwehrt wird, ist eine eklatante Missachtung der Menschenrechte, gegen die wir aufs schärfste protestieren“, erklärte Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftragte des PEN Deutschland.

Die Nachrichten aus Iran sind bestürzend: Rapper Mohsen Shekari hingerichtet, der 23-jährige Majidreza Rahnavard öffentlich gehängt, der inhaftierte Blogger Hossein Ronaghi in kritischem Gesundheitszustand, Rapper Toomaj Salehi gefoltert, der kurdische Rapper Saman Yasin zum Tode verurteilt, über 450 Demonstranten getötet, 18 000 seit September verhaftet, und die Gewalt hat kein Ende. „Wir sehen die Todesurteile und gezielte, gewaltsame Festnahmen als Strafe und Abschreckung, um führende Stimmen der Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen und klarzumachen, dass Menschenrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit in Iran nichts gelten“, sagte Cornelia Zetzsche, „die Eskalation der Lage erinnert an die Hinrichtungen in den 90er Jahren, wieder diese Grausamkeit, dieser staatliche Terror.“

Am 5. Dezember wurden die Dichter Rozbeh Sohani und Aida Amidi in ihren Wohnungen festgenommen, am 30. November schon Alireza Adineh. Alle drei sind Mitglieder des iranischen Schriftstellerverbands, der seit Jahrzehnten Zensur und Repressionen standhält. Noch am 4. Dezember hatte die Schriftstellervereinigung den „Tag gegen Zensur“ begangen.

„Angesichts der Haftbedingungen, der Misshandlungen, der Ansteckungsgefahr in den Gefängnissen, sind wir in größter Sorge. Am 8. Januar dieses Jahres starb der Dichter und Filmemacher Baktash Abtin in einem Teheraner Krankenhaus, nachdem er sich im Gefängnis mit Covid infiziert hatte. Auch wenn nichts die Brutalität nicht zu stoppen scheint, wollen wir alle nicht tatenlos bleiben“, sagte Cornelia Zetzsche. „Die Verantwortlichen der Revolutionsgarde müssen wissen, dass die Welt sie im Blick hat.“

Das deutsche PEN-Zentrum erklärt sich solidarisch mit den Bürgern und Bürgerinnen, die derzeit im Iran für ihre Menschenrechte kämpfen, fordert die sofortige Freilassung der Protestierenden und Freispruch für Atefeh Chaharmahalian!

Eine erste Unterschriftenliste mit der Forderung auf Freilassung der Regierungskritiker wurde an die Botschaft Iran geschickt. Die zweite Petition auf der Homepage des deutschen PEN-Zentrums, die über 500 Unterschriften erhielt, folgt. Eine Spendenaktion soll Autoren und Autorinnen helfen, die ihre Arbeit verloren haben oder auf der Flucht strandeten, zusätzlich zur finanziellen Unterstützung bisher. Zugleich appelliert das deutsche PEN-Zentrum an alle: Schreiben Sie an die iranische Botschaft in Berlin!

Spenden bitte an das

PEN-Zentrum Deutschland

Spendenkonto:
Sparkasse Darmstadt
IBAN: DE03 5085 0150 0000 7301 14
BIC: HELADEF1DAS

Stichwort: Iran – Writers at Risk

Briefe und Mails bitte an:

Botschafter der Islamischen Republik Iran
Seine Exzellenz Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin

info [at] iranbotschaft [dot] de

 

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

Unterschriftenaktion! Frauen, Leben, Freiheit: Das deutsche PEN-Zentrum fordert Freiheit für die Dichterin und Aktivistin Atefeh Chaharmahalian!

 

Atefeh Chaharmahalian
Foto: cpiran

Darmstadt 5. Dezember 2022: Das deutsche PEN-Zentrum fordert Freiheit für die Dichterin und Aktivistin Atefeh Chaharmahalian!

Am 3. Oktober 2022 wurde, wie Human Rights Watch unter Berufung auf den iranischen Schriftstellerverband berichtete, Atefeh Chaharmahalian, die Lyrikerin und ehemalige Vorsitzende des iranischen Schriftstellerverbands von Sicherheitskräften in Teheran verhaftet. Seitdem wird sie im berüchtigten Evin-Gefängnis festgehalten, anfangs ohne Kontakt zu ihrer Familie und ohne medizinische Versorgung.

Atefeh Chaharmahalian war schon zuvor Drohungen und Belästigungen ausgesetzt und in ärztlicher Behandlung. Die Sorge um ihre Gesundheit und die Haftumstände ist groß. Nun ist sie erkrankt. Anstatt zum Krankenhaus, sollte sie vor Gericht gebracht werden, ein Urteil steht bevor, bislang ohne Chance für ihren Anwalt, sich bei Gericht registrieren zu lassen.

Atefeh Chaharmahalian wurde 1981 in der Provinz Chuzestan, im Südwesten des Iran, geboren. Sie ist Dichterin und Aktivistin. Ihre erste Gedichtsammlung erschien im Jahr 2000 unter dem Titel „Mashughe Kaghazi“. Sie war im Vorstand des iranischen Schriftstellerverbands und half seit Jahren Kindern und Erwachsenen in Not, ob in den Provinzen Sistan, Balutschistan, Kurdistan oder in ihrem geliebten Teheraner Viertel Darvazeh Ghar, „Höhlentor“. Sie ist eine der wichtigsten Dichterinnen der postrevolutionären Ära und eine der mutigsten Autor*innen Irans, die ihr Leben der Meinungsfreiheit widmen.

„Die Tatsache, dass Atefeh Chaharmahalian und anderen politischen Häftlingen juristischer Beistand erschwert oder ganz verwehrt wird,  ist eine eklatante Missachtung der Bürger- und Menschenrechte, gegen die wir aufs schärfste protestieren“, erklärte Cornelia Zetzsche, die Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums.

Bei einem Brand im Evin-Gefängnis Mitte Oktober starben vier Häftlinge, 61 wurden verletzt. Im Evin-Gefängnis im Norden Teherans sitzen zahlreiche politische Gefangene – auch Demonstranten, die dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen Wochen inhaftiert sind. Evin ist deswegen und wegen der Kritik von Menschenrechtsgruppen berüchtigt, das Gefängnis gilt als Ort für Misshandlung und Folter von insbesondere politischen Gefangenen. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung 2018 wegen “ernster Menschenrechtsverletzungen” mit Sanktionen belegt.

Die Unterdrückung von demonstrierenden Bürgern verstößt gegen Artikel 19 der Allgemeinen Menschenrechtserklärung: Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.“ Artikel 9 und 10 der Charta der Menschenrechte besagen: „Niemand darf willkürlich festgenommen, in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden“. Und: „Jeder hat bei der Feststellung seiner Rechte und Pflichten sowie bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.“

„Die menschenverachtende Situation, in der sich die meisten Inhaftierten in den letzten Wochen befinden, ist nicht hinzunehmen. Atefeh Chaharmahalian ist eine von vielen. Ihre Situation gibt Anlaß zu größter Sorge,“, sagte Cornelia Zetzsche.

Das deutsche PEN-Zentrum erklärt sich solidarisch mit den Bürgen und Bürgerinnen, die derzeit im Iran für Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit kämpfen, und fordert die umgehende Freilassung der Dichterin und Aktivistin Atefeh Chaharmahalian.

Für das PEN-Zentrum Deutschland

Cornelia Zetzsche
Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftragte

Pressekontakt:
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637; Fax.: 06151/293414
E-Mail: presse [at] pen-deutschland [dot] de

 

Gerechtigkeit für Assange

Gruppenfoto in München v.l. n. r.:
Gabriele Pommerin-Götze, Cornelia Zetzsche, Ernst-Wilhelm Händler, Gert Heidenreich, Michael Ott (hinten), Tanja Kinkel,  Norbert Niemann, Wolfsmehl, Fridolin Schley, Ze do Rock (hinten), Josef Brustmann, Lutz Götze
Foto: © Günter Bregulla

Mahnwachen des deutschen PEN-Zentrums in Berlin, Düsseldorf und München fordern die Freilassung von Julian Assange und protestieren gegen seine Auslieferung an die USA.

Die Welt brennt, vom Jemen über Syrien bis Afghanistan, Myanmar, Iran. Der Krieg in der Ukraine, die russischen Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen verlangen Anteilnahme und Beistand. Zugleich geschieht auch in friedlichen, demokratischen Staaten Unrecht, zu dem nicht geschwiegen werden darf.

Am 9. Dezember 2022, am Vorabend des Tags der Menschenrechte, dem 10. Dezember, demonstrierten Schriftsteller, Publizistinnen, Mitglieder des deutschen PEN-Zentrums, in drei Städten für die Freilassung und gegen die Auslieferung von Julian Assange an die USA.

Seit über zehn Jahren wird Julian Assange in einem kollektiven Akt der Verfolgung von vier Staaten kriminalisiert, seit drei Jahren wird er im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh unter besonders harten Haftbedingungen festgehalten, weil er geheime Akten zugänglich und Kriegsverbrechen der US-Armee öffentlich machte.

Von einem „Exempel“ sprach Bestsellerautor Uwe Timm in München vor dem Friedensengel, in unmittelbarer Nähe des britischen Konsulats und zitierte UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, der angesichts der Haft von Assange „Weiße Folter“ feststellte. „Wer in die dunklen Machtgeschäfte der Exekutive eindringt und sie publik macht, wird endgültig um seine Freiheit gebracht“, sagte Uwe Timm. „Anstatt die von Assange aufgedeckten Verbrechen zu verfolgen, wird er verfolgt. Investigativer Journalismus wird zu Spionage erklärt. Es ist ein Präzedenzfall, wonach Veröffentlichung geheimer Dokumente immer strafbar ist, unabhängig von öffentlichem Interesse. Das Schicksal von Assange soll offenbar allen Whistleblowern abschreckend vor Augen stehen“, mahnten Autorin Daniela Dahn in Berlin und der Schrift-steller Ingo Schulze in Düsseldorf. Und Gert Heidenreich, Dichter, Erzähler und ehemaliger PEN-Präsident, sah in der Verfolgung eine „Fatwa“ demokratischer Staaten gegen Assange.

Autoren und Autorinnen wie Jenny Erpenbeck, Daniela Dahn, Najem Wali, Hans Christian Oeser, Ali Abdollahi, Tobias Kiwitt und PEN-Vizepräsidentin Astrid Vehstedt meldeten sich in Berlin zu Wort. Ingo Schulze, Horst Eckert, Jan Michaelis, Wulf Noll und andere trafen sich zur Mahnwache in Düsseldorf. Uwe Timm, Tanja Kinkel, Gert Heidenreich, Wolfsmehl, Ernst-Wilhelm Händler, Fridolin Schley und PEN-Vizepräsidentin Cornelia Zetzsche forderten in München die Freilassung von Julian Assange.

Seit über zehn Jahren ist der WikiLeaks-Gründer auf der Flucht und in Haft, wird er von Ecuador, Schweden, den USA und Großbritannien diffamiert, mit dem Tode bedroht, verfolgt, angeklagt, in Isolationshaft gehalten, seiner Menschenwürde und seines Rechts auf Unversehrtheit, seiner Grundrechte beraubt, weil er auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks über massive MR-Verletzungen der US Armee in Irak, Afghanistan und Guantánamo aufklärte, damit Bürger – dank Pressefreiheit – wissen, was die Regierungen tun.

Julian Assange half etwa Chelsea Mannings, damals noch Soldat Bradley Mannings, 2010 ein Video wie „Collateral Murder“ zu veröffentlichen: Es zeigt, wie US-Kampfhubschrauber-Piloten Zivilisten abschießen, unter Freudenbekundungen. Sollten Bürger das nicht wissen? Die Kernfrage des „Exempels“ lautet: Wo endet Pressefreiheit und beginnt nationale Sicherheit und vice versa.

Nach den Mahnwachen erzählte Theaterregisseurin Angela Richter in einem Gespräch online von ihren rund dreißig Begegnungen mit Julian Assange in Ecuadors Botschaft in London, in die sich Assange 2012-2019 geflüchtet hatte, bis zu seiner Verhaftung durch die britische Polizei. Zusammen mit Gert Heidenreich las sie einen Dialog, den sie mit Assange geführt hatte und der die Denkweise des Journalisten deutlich macht.

Cornelia Zetzsche
Vizepräsidentin und Writers-in-Prison-Beauftragte des deutschen PEN

Pressestimmen und Gespräche

Impressionen von den Mahnwachen in Berlin, Düsseldorf und München

Mahnwache in München Foto: © Eva Demmelhuber

Uwe Timm sprach bei der Mahnwache in München vor dem Friedensengel
Wolfsmehl und Fridolin Schley hören zu, Tanja Kinkel leuchtet ins Dunkel
Foto: © Cornelia Zetzsche

Uwe Timm
Foto: © Daniela Weiland

PEN-Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftragte Cornelia Zetzsche mit ihrem Schreiben an den britischen Generalkonsul Kendall, in dem sie auf die äußerst prekäre Situation des WikiLeaks-Gründers Julian Assange aufmerksam macht; begleitet von Tanja Kinkel und Ze do Rock
Foto: © Daniela Weiland

Mahnwache in Berlin
Foto: © Tobias Kiwitt

Mahnwache in Düsseldorf
Foto: © Wulf Noll

Schriftsteller und Mitorganisator der Düsseldorfer Mahnwache Jan Michaelis
Foto: © Karl – Heinz Schultze (KHSFotographie)

In Düsseldorf nahmen u.a. die  Autoren Ingo Schulze (li.) und Wulf Noll (re.), einer der Mitorganistoren, an der Mahnwache teil

Ingo Schulze las in Düsseldorf spontan die Rede von Daniela Dahn vor, die diese in Berlin halten wollte.
Foto: © Karl – Heinz Schultze (KHSFotographie)

Mahnwache/ Dialog zu Julian Assange

FREE Assange – Keine Auslieferung!

Pressemitteilung, Darmstadt, 29.11.2022. Am Vorabend des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember veranstaltet das PEN-Zentrum Deutschland drei Mahnwachen für Julian Assange

am 9.12.2022, 17 Uhr,

vor den Britischen Generalkonsulaten in München (Treffpunkt: Friedensengel, oben, Europaplatz 1) und Düsseldorf sowie in Berlin, wo die Mahnwache um wenige Meter verschoben wird. Statt in dem polizeilichen Sperrgebiet an der Wilhelmstraße, wird sie direkt vor der US-Botschaft auf dem Pariser Platz stattfinden, etwa 80 Meter vom bisherigen Versammlungsort vor der Britischen Botschaft entfernt. Damit möchte das PEN-Zentrum Deutschland vor allem die USA als Verfolgerstaat von Julian Assange zum Einlenken auffordern.

Es sprechen Daniela Dahn, Jenny Erpenbeck u.a. in Berlin, Uwe Timm und andere in München. In Düsseldorf wird es eine stille Mahnwache geben, u.a. mit Ingo Schulze und Horst Eckert.

Am 9.12.2022 um 20 Uhr – Online-Talk

Freiheit für Assange
10.Dezember 2022, Tag der Menschenrechte. Theaterregisseurin Angela Richter erzählt von ihren Begegnungen mit Julian Assange, den sie viele Male in der Botschaft Ecuadors in London traf. Daraus entstand ihr Theaterstück „Assassinate Assange“. Angela Richter engagiert sich seit Jahren für den WikiLeaks-Gründer. Mit dem Schriftsteller Gert Heidenreich liest sie aus einem der Dialoge und fordert die Freilassung von Assange. Moderation: Cornelia Zetzsche, Vize-Präsidentin und Writers in Prison Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums

Seit 2021 ist Julian Assange Ehrenmitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Seit zwölf Jahren beschäftigt sein Fall die Justiz, weil er geheime Dokumente publiziert und damit Menschenrechtsverletzungen der US Army bekannt gemacht hat. Wiederholt haben PEN International und PEN-Zentren weltweit seine Freilassung gefordert. Derzeit ist er in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert. Im Juni 2022 bestätigte die damalige britische Regierung seine Auslieferung an die USA, wo ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen. Das Berufungsverfahren ist noch nicht entschieden.

Der Fall Assange ist zum juristischen Fall geworden. Er ist nichtsdestotrotz ein politischer Präzedenzfall.

Die Entscheidung der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel ist eine Tragödie für Julian Assange und ein Angriff auf die Pressefreiheit und den Schutz von Informanten und Whistleblowern. Den WikiLeaks-Gründer juristisch zu belangen und unter Spionageverdacht zu stellen, ist ein bedrohliches Signal an Journalisten und Verlegerinnen weltweit. Das Verlangen eines Staates, Dokumente geheim zu halten, greift in das Recht der Öffentlichkeit auf Informationsfreiheit ein; erst recht, wenn der begründete Verdacht auf Korruption und Menschenrechtsverletzungen besteht.

„Seit zwölf Jahren wird Julian Assange in einem kollektiven Akt der Verfolgung als Spion und Verbrecher kriminalisiert und unter Missachtung der Menschenrechte inhaftiert. Ihm wird die Bewegungsfreiheit genommen, das Recht auf Asyl und ein fairer Prozess verweigert, seine Menschenwürde und Unversehrtheit ignoriert. Das alles täuscht nicht darüber hinweg, dass er der Presse- und Informationsfreiheit weltweit und den westlichen Zivilgesellschaften mit der Publikation von Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan einen wichtigen Dienst erwiesen hat. Unsere Solidarität gilt seinem Mut und seinem Kampf um Gerechtigkeit und Wahrheit. Julian Assange ist unverzüglich freizulassen und darf keinesfalls an die USA ausgeliefert werden, zu groß ist das Risiko für noch mehr Unrecht,“ sagte Cornelia Zetzsche, Vize-Präsidentin und Writers in Prison Beauftragte des PEN-Zentrums Deutschland.

Pressekontakt:
Felix Hille
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/627 08 23; Mobil: 0157/31382637
E-Mail: f.hille [at] pen-deutschland [dot] de

Neuer Writers-in-Exile-Stipendiat des PEN Deutschland

Collen Kajokoto

Collen Kajokoto
Foto: privat

Deutscher PEN begrüßt den Lyriker Collen Kajokoto aus Simbabwe als neuen Stipendiaten in seinem Exilprogramm für bedrohte Autoren

Pressemitteilung, Darmstadt, 30.11.22. Collen Kajokoto ist ein bekannter Protestdichter aus Simbabwe. In seinem Werk schildert er die täglichen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, Ängste und Hoffnungen in seiner Heimat.

Kajokoto, geboren 1973, begann um 1998 mit dem Schreiben. Aufgrund des politischen Umfelds in Simbabwe hatte er große Schwierigkeiten, seine Werke zu veröffentlichen. Trotz aller Widerstände innerhalb der Verlagsbranche gelang es ihm, einige Gedichte in Zeitschriften zu veröffentlichen sowie in Lyriksalons und Clubs aufzutreten. Eines dieser Gedichte ist Slain Farmer, das Kajokoto im Jahr 2000 nach der Ermordung des weißen Bauern Martin Olds durch Kriegsveteranen schrieb.

Im März 2002 wurde Kajokoto verhaftet und gefoltert, weil er gegen die Zensur von Künstlerinnen und Künstlern sowie die politische Diktatur protestiert hatte. Ende 2002 floh er nach Botswana, später beantragte er in Südafrika Asyl. Als sein Asylantrag abgelehnt wurde, schoben ihn die Behörden nach Simbabwe ab, wo er wegen angeblicher Anstiftung zu öffentlicher Gewalt und Verunglimpfung des Präsidentenamtes angeklagt und zu einer siebenjährigen Haftstrafe ohne Aussicht auf Bewährung oder Straferlass verurteilt wurde. 2019 wurde er aus der Haft entlassen.

Seitdem hat Kajokoto weitere Gedichte veröffentlicht, darunter Black Crocodile und God’s Secretary. Für letzteren Text wurde er erneut verhaftet und von den simbabwischen Behörden verhört. Von Dezember 2020 bis 2022 hielt sich Kajokoto mithilfe des Artists at Risk (AR)-Bridging Fund an einem unbekannten Ort auf.

„Seit seiner Ankunft in Deutschland kann er zum ersten Mal seit Jahren ohne Bedrohung leben“, so Astrid Vehstedt, Writers-in-Exile-Beauftragte des PEN-Zentrums Deutschland. „Dies gibt ihm neuen Mut, seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen.“

Das Writers-in-Exile-Programm ist ein Stipendienprogramm für verfolgte Autorinnen und Autoren, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Seit 1999 sind mehr als sechzig Literatinnen und Literaten Stipendiaten dieses Exil-Programmes gewesen. Bis zu drei Jahre stellt das deutsche PEN-Zentrum verfolgten Autorinnen und Autoren eine möblierte Wohnung zur Verfügung, dazu ein monatliches Stipendium. Die Kolleginnen und Kollegen vom deutschen PEN bringen sie in Kontakt mit Verlegerinnen und Verlegern in ihrer Umgebung.

Pressekontakt:
PEN-Zentrum Deutschland e.V., Fiedlerweg 20, 64287 Darmstadt
Tel.: 06151/23 120; Fax.: 06151/293414
E-Mail: presse [at] pen-deutschland [dot] de