
Foto: Simone Ahrend, sah-photo
Die tunesische Dichterin, Schriftstellerin und Journalistin Najet Adouani ist eine kritische Autorin, die sich für Freiheit, Frieden und die Rechte von Frauen einsetzt. Sie wurde 1956 im Süden Tunesiens geboren und begann bereits als Kind zu schreiben. Frühe Erfahrungen mit der Gewalt des totalitären tunesischen Regimes prägten sie und politisierten ihre Arbeit. Sie studierte Journalismus und schrieb während ihres Studiums für verschiedene oppositionelle Zeitungen. Ihre journalistische Arbeit brachte sie immer wieder in Schwierigkeiten und führte dazu, dass sie auf die „schwarze Liste“ gesetzt wurde. Auch nach der tunesischen Revolution kämpfte sie weiter für Meinungsfreiheit und die Rechte von Frauen, schrieb für verschiedene Zeitungen und ein Radiomagazin. Sie wurde wiederholt bedroht und gezwungen, ihre Arbeit für das Radio einzustellen. Sie durfte nicht mehr veröffentlichen und musste all ihre schriftstellerischen Tätigkeiten aufgeben. Trotzdem wurden Adouani und ihre Familie weiterhin unter Druck gesetzt. Im Oktober 2012 floh sie deshalb ins Exil nach Deutschland, musste allerdings ihre drei erwachsenen Söhne zurücklassen. Sie fand zunächst Aufnahme im Friedl-Dicker-Stipendium des Vereins Weimar – Stadt der Zuflucht e.V.. Von April 2013 bis April 2016 war sie Gast des Writers-in-Exile Programms des PEN-Zentrums Deutschland. Adouani veröffentlichte sechs Lyrikbände und eine Sammlung von Kurzgeschichten auf Arabisch, weitere 15 Manuskripte warten auf eine Veröffentlichung. Ihre Gedichte wurden ins Englische, Französische, Spanische und Hindi übersetzt. Sie nahm an zahlreichen arabischen und internationalen Lyrikfestivals teil und ist seit 1982 Mitglied der tunesischen Schriftstellervereinigung. 2010 gewann sie den Feminine Poetry Prize. Fünf ihrer Gedichte erschienen in der vom PEN-Zentrum herausgegebenen Anthologie Fremde Heimat – Texte aus dem Exil erstmals in deutscher Übersetzung. Ihre Gedichte setzen sich auf sehr persönliche Weise mit Trauer, Verlust und Gewalterfahrungen auseinander. 2015 erschien mit Meerwüste (Lotos Werkstatt) ein deutsch-arabischer Lyrikband Adouanis in Berlin. 2017 wurden mehrere ihrer Gedichte in der PEN-Anthologie Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren im S. Fischer Verlag veröffentlicht. Seit 2018 ist Adouani PEN-Mitglied.
„Mit den Flügeln
eines Schmetterlings,
der im Inneren verbrennt,
haben sie mich gefesselt.
Auf der Straße der Freiheit
hinter meinem Spiegelbild
verschanzt,
spiele ich meine Niederlagen
einer Frau zu,
die meine Tränen hasst.
Einer Frau,
die meine Zähmung erlebte,
sah,
wie man mich umprogrammiert hat,
damit ich den Regeln entspreche,
wie man mich dressiert hat,
damit ich meinem Ich entgleite,
mich selber breche,
um
anzunehmen das Gesicht meiner Bändiger,
mich zu verwandeln,
hinter ihrer Maske
sie zu werden
und mir selbst entgegenzutreten. […]“
Aus: Fremde Heimat. Texte aus dem Exil, hrsg. von Christa Schuenke und Brigitte Struzyk.