Das PEN-Zentrum Deutschland schließt sich dem Aufruf von Thierry Chervel (Perlentaucher.de) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für die sofortige Freilassung des algerisch-französischen Schriftstellers Boualem Sansal an. Sansal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2011, drohen in Algerien drakonische Strafen für Äußerungen zur algerischen Geschichte. Der Prozess gegen ihn ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und das Recht auf unabhängige Kritik.
Das PEN-Zentrum verurteilt die anhaltenden Repressionen gegen kritische Stimmen in Algerien und fordert, dass Boualem Sansal unverzüglich freigelassen wird. Kein Schriftsteller darf wegen seiner Meinung inhaftiert werden!
Ein freier Diskurs ist die Grundlage jeder Demokratie. Boualem Sansals Verhaftung bedroht nicht nur die Meinungsfreiheit in Algerien, sondern ist ein Weckruf an die internationale Gemeinschaft, für fundamentale Menschenrechte einzustehen.
Bitte verbreiten Sie den Aufruf „Freiheit für Boualem Sansal“ und unterstützen Sie ihn, indem Sie ihn online hier unterzeichnen.
Aufruf für Boualem Sansal
+++ for the English version, please see below +++
27.11.2024. Boualem Sansal, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels des Jahres 2011, droht wegen einer Meinungsäußerung zur algerischen Geschichte eine jahrelange Gefängnisstrafe. Sansal ist algerischer und französischer Staatsbürger, also Europäer. Wir, deutsche und internationale Schriftstellerinnen und Journalisten und RepräsentantInnen von Kulturorganisationen, fordern Solidarität mit Boualem Sansal. An die Adresse der algerischen Regierung lässt sich nur eines sagen: Wegen seiner Meinung darf kein Schriftsteller eingesperrt werden. Wir verlangen seine sofortige Freilassung! Wir unterstützen die Bemühungen von Außenministerin Annalena Baerbock, Aufklärung über die Lage Sansals zu erhalten.
Tagelang war der algerische Schriftsteller Boualem Sansal verschwunden. Gestern nun wurde er in Algier einem Gericht vorgeführt. Noch ist nicht klar, ob er einen unabhängigen Rechtsbeistand hat. Belangt werden soll er wegen Äußerungen zur algerischen Geschichte – nach algerischen Paragrafen können ihm dafür drakonische Strafen drohen. Ein Schriftsteller soll für seine Meinung ins Gefängnis.
Boualem Sansal ist ein dezidierter Kritiker des algerischen Regimes und des Islamismus. Er scheut sich auch nicht, einen “offiziellen” Islam anzuprangern, der weder in den muslimischen, noch in den westlichen Ländern eine Handhabe gegen den Islamismus zustande gebracht hat. Man muss nicht seiner Meinung sein. Aber wer diskutieren will, der darf sich sein Gegenüber nicht rauben lassen.
Sansals französischer Anwalt François Zimeray fürchtet laut RTL, dass Sansal nach Äußerungen, die den algerischen Nationalismus provozieren, der Spionage angeklagt werden könnte und nach einem Willkürprozess für lange Zeit ins Gefängnis gesteckt wird.
Sansal ist algerischer und französischer Staatsbürger, also Europäer. Wir, deutsche und internationale Schriftstellerinnen und Journalisten und RepräsentantInnen von Kulturorganisationen, fordern Solidarität mit Boualem Sansal.
An die Adresse der algerischen Regierung lässt sich nur eines sagen: Wegen seiner Meinung darf kein Schriftsteller eingesperrt werden. Wir verlangen seine sofortige Freilassung!
Wir unterstützen Außenministerin Annalena Baerbock und ihren franzöischen Kollegen Jean-Noël Barrot in ihrem Bemühen, von der algerischen Regierung Aufklärung über den Verbleib Boualem Sansals zu erhalten und die deutsche und europäische Öffentlichkeit über die Antwort der algerischen Regierung informieren. Sansal braucht einen unabhängigen Rechtsbeistand und Zugang zu Familie, Freunden und Repräsentanten der französischen Botschaft.
Wer Boualem Sansal, wie sein Kollege und Freund Kamel Daoud es ausdrückte, “verschwinden macht”, schädigt im Moment einer extremen Polarisierung die Möglichkeit von Debatte überhaupt. Eine solche Politik zielt darauf ab, Demokratie, auch in Europa, zu zerstören. Wenn die Demokratien nicht gegen eine solche Politik einstehen, sind sie verloren.
Swetlana Alexijewitsch (Friedenspreisträgerin 2013, Literaturnobelpreis 2015)
Anne Applebaum (Friedenspreisträgerin 2024)
Aleida Assmann (Friedenspreisträgerin 2018)
Margaret Atwood (Friedenspreisträgerin 2017)
Seyla Benhabib (Adorno-Preisträgerin 2024 und Friedenspreis-Laudatorin von Carolin Emcke 2016)
Klaus Brinkbäumer (Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
Carolin Emcke (Friedenspreisträgerin 2016)
Raphael Gross (Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
David Grossman (Friedenspreisträger 2010)
Elfriede Jelinek (Literaturnobelpreis 2004)
Daniel Kehlmann (Autor und Friedenspreis-Laudator von Salman Rushdie 2023)
Navid Kermani (Friedenspreisträger 2015)
Claus Leggewie (Politikwissenschaftler)
Jo Lendle (Verleger Carl Hanser Verlag und Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
Wolf Lepenies (Friedenspreisträger 2006)
Liao Yiwu (Friedenspreisträger 2012)
Herta Müller (Literaturnobelpreis 2009)
Michael Naumann (Staatsminister für Kultur und Medien a.D. und Friedenspreis-Laudator von Péter Esterházy 2004)
Orhan Pamuk (Friedenspreisträger 2005, Literaturnobelpreis 2006)
Joachim Sartorius (Autor und Übersetzer, Friedenspreis-Laudator von Orhan Pamuk 2005)
Irina Scherbakowa (Friedensnobelpreisträgerin 2022 für Memorial und Friedenspreis-Laudatorin von Anne Applebaum 2024)
Karl Schlögel (Friedenspreis-Laudator von Claudio Magris 2009 und Swetlana Alexijewitsch 2013)
Karin Schmidt-Friderichs (Börsenvereinsvorsteherin und Mitglied im Friedenspreis-Stiftungsrat)
Martin Schulz (ehem. EU-Parlamentspräsident, Friedenspreis-Laudator von Jaron Lanier 2014)
Thierry Chervel (Perlentaucher)
Eva Quistorp (Politikerin)
Martin Schult (Börsenverein)
Appeal for Boualem Sansal
November 27, 2024. Boualem Sansal, recipient of the 2011 Peace Prize of the German Book Trade, faces the threat of several years of imprisonment due to his statements on Algerian history. Sansal, who holds both Algerian and French citizenship, is therefore also a European. We, German and international writers, journalists, and representatives of cultural organizations, call for solidarity with Boualem Sansal. To the Algerian government, we have one clear message: no writer should be imprisoned for their opinions. We demand his immediate release! We support the efforts of German Foreign Minister Annalena Baerbock to seek clarification about Sansal’s situation.
For days, the Algerian writer Boualem Sansal was missing. Yesterday, he was finally presented to a court in Algiers. It remains unclear whether he has access to independent legal representation. He is being prosecuted for his statements about Algerian history—statements for which Algeria’s legal code prescribes draconian penalties. A writer is being threatened with imprisonment for expressing his views.
Boualem Sansal is a prominent critic of the Algerian regime and Islamism. He does not shy away from condemning an “official” Islam that, in his view, has failed to effectively counter Islamism, whether in Muslim or Western countries. You do not have to agree with his opinions, but those who wish to debate must not be deprived of their interlocutor.
Sansal’s French lawyer, François Zimeray, told RTL he fears that Sansal could be charged with espionage for allegedly provoking Algerian nationalism. A show trial could lead to a lengthy prison sentence.
Sansal, as both an Algerian and a French citizen, is also a European. We, German and international writers, journalists, and representatives of cultural organizations, call for solidarity with Boualem Sansal.
To the Algerian government, we have one clear message: no writer should be imprisoned for their opinions. We demand his immediate release!
We support Foreign Minister Annalena Baerbock and her French counterpart, Jean-Noël Barrot, in their efforts to obtain clarification from the Algerian government on Boualem Sansal’s whereabouts and to inform the German and European public about the government’s response. Sansal needs access to independent legal counsel, family, friends, and representatives of the French embassy.
As his colleague and friend Kamel Daoud said, “disappearing” Boualem Sansal undermines the possibility of debate at a time of extreme polarization. Such a policy aims to destroy democracy—even in Europe. If democracies fail to oppose such actions, they are doomed.
Signatories:
- Svetlana Alexievich (Peace Prize 2013, Nobel Prize in Literature 2015)
- Anne Applebaum (Peace Prize 2024)
- Aleida Assmann (Peace Prize 2018)
- Margaret Atwood (Peace Prize 2017)
- Seyla Benhabib (Adorno Prize 2024, Peace Prize Laudator for Carolin Emcke 2016)
- Klaus Brinkbäumer (Member of the Peace Prize Foundations Board of Trustees)
- Carolin Emcke (Peace Prize 2016)
- Raphael Gross (Member of the Peace Prize Foundations Board of Trustees)
- David Grossman (Peace Prize 2010)
- Elfriede Jelinek (Nobel Prize in Literature 2004)
- Daniel Kehlmann (Author and Peace Prize Laudator for Salman Rushdie 2023)
- Navid Kermani (Peace Prize 2015)
- Claus Leggewie (Political Scientist)
- Jo Lendle (Publisher, Carl Hanser Verlag, Member of the Peace Prize Foundations Board of Trustees)
- Wolf Lepenies (Peace Prize 2006)
- Liao Yiwu (Peace Prize 2012)
- Herta Müller (Nobel Prize in Literature 2009)
- Michael Naumann (Former Minister of State for Culture and Media, Peace Prize Laudator for Péter Esterházy 2004)
- Orhan Pamuk (Peace Prize 2005, Nobel Prize in Literature 2006)
- Joachim Sartorius (Author and Translator, Peace Prize Laudator for Orhan Pamuk 2005)
- Irina Scherbakowa (Nobel Peace Prize 2022 for Memorial, Peace Prize Laudator for Anne Applebaum 2024)
- Karl Schlögel (Peace Prize Laudator for Claudio Magris 2009 and Svetlana Alexievich 2013)
- Karin Schmidt-Friderichs (Chair of the Börsenverein, Member of the Peace Prize Foundations Board of Trustees)
- Martin Schulz (Former President of the European Parliament, Peace Prize Laudator for Jaron Lanier 2014)
- Thierry Chervel (Perlentaucher)
- Eva Quistorp (Politician)
- Martin Schult (Börsenverein)