
Kholoud Charaf
Die Traurigkeit ist wie der Hunger
sie weiß, wie sie dich verzehrt
Lass sie an deinem Tisch Platz nehmen
Biete ihr Wasser an oder schenk ihr warmen Salbeitee ein und schau ihr in die Augen
Kholoud Charaf
Kholoud Charaf ist eine syrische Dichterin, Kunstkritikerin, Publizistin und Aktivistin. Als Schriftstellerin und Publizistin war Charaf immer wieder von Zensur bedroht. Sie setzte sich insbesondere für die Lebensbedingungen von Frauen und Kindern in vom Bürgerkrieg zerrütteten Syrien ein. Seit September 2020 ist Kholoud Charaf Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms.
Kholoud Charaf wurde 1981 in Al-Mojaimr, im Süden Syriens geboren. Sie ist Dichterin, Kunstkritikerin, Publizistin und Aktivistin. 2003 schloss sie das ab. Später studierte sie Arabische Literaturwissenschaften. Als Schriftstellerin und Publizistin war Charaf immer wieder von Zensur bedroht. Sie engagiert sich insbesondere für die Lebensbedingungen von Frauen und Kindern im vom Bürgerkrieg zerrütteten Syrien.
Charaf hat bisher vier Bücher veröffentlicht, darunter den Gedichtband „The Remains of the Butterfly“, in dem sie sich lyrisch mit dem Krieg in Syrien und dem Leben „zwischen Verlust und Hoffnung“ auseinandersetzt. Ihre Gedichte wurden bislang in insgesamt zehn Sprachen übersetzt.
2011 veröffentlichte Charaf eine wissenschaftliche Arbeit über syrische Gegenwartspoesie.
In ihrer autobiographischen Reportage „Journey of the Return to the Mountain: A Journal in the Shadow of War” beschäftigt sie sich mit der eigenen Rückkehr von Damaskus an ihren Geburtsort im südlichen Gebirge von Syrien und erhielt dafür 2019 den angesehenen marokkanischen Muhammad Ibn Battuta Prize für Reiseschriftstellerei. Es ist eine Auseinandersetzung mit den Mythen und Menschen in Südsyrien und den Kindheitserinnerungen der Autorin, eine Reise zur Selbsterforschung und zu den Anliegen der menschlichen Existenz. 2020 wurde ihr der amerikanische IIE Award verliehen. Zurzeit arbeitet sie an einem neuen Roman sowie an einer Kurzgeschichtensammlung, in der sie die verübten Gräueltaten in ihrer Heimatregion literarisch verarbeitet.
Ihr neuster Roman „Diaries I Have Nothing to Do with” wurde für den Arabischen Booker-Prize (International Prize for Arabic Fiction) 2024 nominiert.
Fluchtmigranten
Erschöpft durchquerten sie das Unbekannte
Noch vor ihnen kamen die Bäume an
das Miauen der Katzen
die Vögel
und die Lichter
durch die sie ihre Gesichter im Spiegel sahen
Leicht wie eine Feder reisten die Träume
selbst die Albträume
Was sie festgehalten hatten in Heften und Büchern und auf Türen
auf Holz
im Internet
und mit der Kamera
die Wolke, die lange zusah und dann weinte
die Hitze, die gestern hier vorbeikam
und der träge Himmel –
all das war angekommen
Allein meines Vaters Krückstock
lag noch auf meiner Schulter
Doch noch immer sahen wir keinen Sinn
Wir waren es, die die Grenzen schufen
und wir waren es, die glaubten
Aus dem Arabischen von Kerstin Wilsch
Berichte
- „Syrische Dichterin im westfälischen Exil“
Beitrag von Cornelia Wegerhoff für das Literaturmagazin „Lesart“ im Deutschlandfunk Kultur über Kholoud Charaf (24.09.2020) - „Verfolgte Schriftstellerin findet in Kamen neue Heimat“
Artikel von Tobias Weskamp auf lokalkompass.de (17.08.2020)