PEN fordert Freilassung vier inhaftierter Autoren
- Über 140 PEN-Zentren in der ganzen Welt machen auf vier akut bedrohte und inhaftierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller aufmerksam
- Die Fälle: Iryna Danylovych (Ukraine/besetzte Krim), Go Sherab Gyatso (Tibet/VR China), Soulaiman Raissouni (Marokko), María Cristina Garrido Rodríguez (Kuba)
- Writers-in-Prison-Beauftragter Najem Wali: „Solange eine oder einer von ihnen irgendwo nicht frei ist, ist niemand frei.“
Pressemitteilung, Darmstadt, 15.11.23. Das PEN-Zentrum Deutschland lenkt am diesjährigen Tag des inhaftierten Schriftstellers (15.11.) gemeinsam mit über 140 PEN-Zentren weltweit den Blick auf vier tragische Schicksale von Autorinnen und Autoren, die aufgrund ihrer Arbeit und ihres Engagements für die Freiheit des Wortes bedroht, verfolgt und inhaftiert wurden.
„Schriftstellerinnen und Schriftsteller leisten Widerstand, setzen sich für Gerechtigkeit und freie Gesellschaften ein. Dafür werden viele verfolgt, bedroht, angriffen, eingekerkert, verbannt und nicht selten getötet. Solange eine oder einer von ihnen irgendwo nicht frei ist, ist niemand frei“, so Najem Wali, Writers-in-Prison-Beauftragter und Vizepräsident des deutschen PEN.
Das PEN-Zentrum Deutschland verurteilt die Inhaftierung und Misshandlung der Autorinnen und Autoren auf das Schärfste und fordert deren sofortige und bedingungslose Freilassung. Die Fälle dieser vier mutigen Menschen zeigen, wie wichtig die Freiheit des Wortes ist und wie katastrophal es um sie in vielen Teilen der Welt bestellt ist.
Über die Autorinnen und Autoren (Weiterführende Informationen in englischer Sprache bereitgestellt vom PEN International)
Iryna Danylovych, eine ukrainische Bürgerjournalistin und Menschenrechtsverteidigerin, deckte Missstände im Gesundheitssystem der besetzten Krim auf. Am 29. April 2022 wurde sie gewaltsam entführt. Am selben Tag durchsuchten russische Sicherheitskräfte ihr Haus und beschlagnahmten ihr Telefon sowie ihre Ausrüstung. Schließlich wurde Danylovych von ihrem Anwalt am 11. Mai 2022 in einem Untersuchungsgefängnis in Simferopol aufgefunden. Wegen angeblichen „illegalen Kaufs, Transfers, Lagerung und Transport von explosiven Stoffen oder Sprengvorrichtungen“ wurde sie nach Artikel 222.1 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation angeklagt und vom Justizministerium der Russischen Föderation als „ausländische Agentin“ gelistet. Ihre Arbeit führte zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe sowie einer Geldstrafe. Im März 2023 trat Danylovych in einen Hungerstreik, um gegen die anhaltende mangelhafte medizinische Versorgung im Gefängnis zu protestieren. Gegenwärtig befindet sie sich in schlechter gesundheitlicher Verfassung und hat nach Angaben ihrer Familie aufgrund der Haftbedingungen das Gehör auf ihrem linken Ohr verloren.
Der tibetische Schriftsteller, Pädagoge und Intellektuelle Go Sherab Gyatso, bekannt als Gosher, verbüßt eine 10-jährige Gefängnisstrafe, die ihm Berichten zufolge nach einem geheimen Prozess Ende 2021 auferlegt wurde. Im Oktober 2020 wurde er von Sicherheitsdiensten der Volksrepublik China in der Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan unter dem Verdacht der Anstiftung zur Sezession festgenommen. Daraufhin wurde er in die Autonome Region Tibet überstellt, wo er am 3. Februar 2021 offiziell angeklagt wurde. Es besteht große Sorge um Goshers Gesundheit, aufgrund mangelnder medizinischer Versorgung. In seinen Schriften widmet er sich dem tibetischen Buddhismus sowie der Sprache und Kultur Tibets. Er hat die Bestrebungen der chinesischen Regierung, den Zugang tibetischer Kinder zu Bildung in ihrer Muttersprache einzuschränken, scharf kritisiert.
Soulaiman Raissouni, ein marokkanischer Journalist, wurde wegen angeblicher sexueller Übergriffe im Mai 2020 festgenommen, was er als politisch motiviert zurückweist. Fast ein Jahr saß er ohne Gerichtsverfahren in Haft und wurde im Juli 2021 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Prozessführung war von Unregelmäßigkeiten geprägt und fand ohne ihn und seine Verteidiger statt. Untersuchungen ergaben, dass er mittels Pegasus-Spyware überwacht wurde. Nach einem langen Hungerstreik, der seine Gesundheit beeinträchtigte, wurde sein Berufungsantrag abgelehnt. Die UN und das Europäische Parlament äußerten Besorgnis über die Willkür seiner Inhaftierung und forderten seine Freilassung.
Am 10. März 2022 wurde die kubanische Dichterin und Aktivistin María Cristina Garrido Rodríguez wegen „öffentlicher Unordnung“, „Angriff“, „Anstiftung zu einer Straftat“, „Verachtung“ und „Widerstand“ zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Ihre Verhaftung erfolgte am 12. Juli 2021, als sie an den landesweiten friedlichen Protesten vom 11. Juli teilnahm. Nach ihrer Festnahme wurde sie von den kubanischen Behörden geschlagen und 18 Tage lang verschleppt. Derzeit ist sie im Frauengefängnis Guatao inhaftiert, wo sie grausam behandelt wird. Ihr Schreiben konnte sie erst am 349. Tag ihrer Haft wieder aufnehmen.
Über den Tag des inhaftierten Schriftstellers
Der Gedenktag wurde im Jahr 1980 durch das „Writers in Prison“-Kommittee des internationalen PEN ins Leben gerufen als Reaktion auf die bedrohlich wachsende Zahl der Länder, die versuchen, Autorinnen und Autoren durch Repressionen mundtot zu machen.
Die Caselist 2022, welche jährlich die Informationen zu aktuellen Fällen bündelt, ist hier abrufbar.
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Felix Hille
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