Im Gespräch mit der PEN-Autorin Roswitha Quadflieg
PEN-Mitglied Roswitha Quadflieg hat als Autorin etwas erlebt, was man niemandem wünschen möchte. Ihr neues Buch „Ein Mann seiner Zeit“ erschien im August 2023 bei einem renommierten Verlag. Fünf Tage vor der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2023 teilte der Verleger der Autorin mit, dass er nach der Messe Insolvenz anmelden werde. Trotzdem reiste sie zu dem einzigen vom Verlag organisierten Präsentationstermin von Berlin nach Frankfurt an. Vor Ort verfolgte sie dann das hilflose Bemühen des Verlegers um eine Übernahme seines Verlags. PEN-Generalsekretär Michael Landgraf, der alles auf der Buchmesse mitverfolgte, im Gespräch mit Roswitha Quadflieg.
Wie ging es dir auf der Frankfurter Buchmesse?
Es war meine 43. Buchmesse, und sie war – nach der Ankündigung des Verlegers, Insolvenz anzumelden – ein einziger Albtraum. Absoluter Stillstand! Außer einer Lesung auf der „Leseinsel für unabhängige Verlage“ am ersten Messetag um 13:00 Uhr, wo, dem Termin entsprechend nur fünf Hörer saßen, waren keine Bemühungen unternommen worden, meinem neuen Roman zu einer öffentlichen Wahrnehmung zu verhelfen. Das PEN-Zentrum Deutschland hatte im Rahmen der Buchmesse dann an seinem Stand mit mir ein Interview mit Frank Überall vom Digitalverlag KiVVON organisiert, wodurch zumindest der Sinn einer Anreise gerettet war.
Welche Konsequenzen hat die Verlagsinsolvenz für dich? Was geschieht mit den Büchern?
Sie stellt mich an den Abgrund. Keine Lesungen mehr, keine Einkünfte. Die Restbestände meiner Bücher werden mit der Insolvenzmasse verramscht. Ein paar Exemplare habe ich meinem Keller auf Halde gelegt.
Hast du in deinem langen Berufsleben als Autorin ähnliche Erfahrungen machen müssen?
Mein erstes Buch erschien 1985. Seitdem bin ich auf Erfolgswellen geschwommen oder habe in Flauten gedümpelt. So ist die Branche. Bitter war für mich jedoch, gleich vier Verlagspleiten oder Fast-Pleiten miterleben zu müssen. Das hat mich jedes Mal weit zurückgeworfen, was die öffentliche Wahrnehmung und ein Vorankommen als Schriftstellerin angeht. Zum Glück habe ich Zeiten erlebt mit rund 60 Lesungen im Jahr und mit zweiten Auflagen und Taschenbuchausgaben meiner Titel, an die ich mich gerne erinnere. Das hilft, nicht an der Sinnhaftigkeit meines Tuns zu zweifeln oder gar zu verzweifeln.
Du hast am 10. Februar 2024 ein viel beachtetes Essay als Erfahrungsbericht im Teil „Literarisches Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verfasst, unter dem Titel „Weiter viel Erfolg! Vom Verschwinden noch lebender Autoren durch die Pleiten der Verlage.“ Wie waren die Reaktionen darauf?
Bisher sehr positiv. Etliche Kollegen haben Ähnliches erlebt und bestärken mich darin, wie wichtig es war, dieses Thema einmal so prominent an die Öffentlichkeit zu bringen.
Wie siehst du literarisch deine Zukunft?
Ich schreibe weiter! Seit letztem Sommer beschäftigt mich ein Sachbuch. Einen Roman sehe ich momentan nicht, ich bin durch diese Verlagspleite ausgebrannt. Das Thema, das ich in meinem letzten Roman behandelt habe – das selbstbestimmte Sterben – war einfach zu groß, als dass ich jetzt flugs ein neues großes Thema aus dem Hut zaubern könnte.
Link zum FAZ-Artikel von Roswitha Quadflieg: https://zeitung.faz.net/faz/feuilleton/2024-02-10/1eca161da3a4cac50536944cb6f38fff/?GEPC=s1