Auf der Podiumsdiskussion im Rahmen der PEN-Jahrestagung stand die Rolle der Frauen im Mittelpunkt.
Und die könnte in den drei Ländern – Türkei, Iran, Afghanistan – nicht unterschiedlicher sein: Da ist die extreme Unterdrückung der Frauen nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, das mutige Aufbegehren der Frauen im Iran und die schrittweise Einschränkung der Rechte der Frauen in den vergangenen Jahrzehnten in der Türkei.
Drei Länder, Fünf Perspektiven
In der von Astrid Vehstedt, Vizepräsidentin und Writers in Exile Beauftragte des PEN, moderierten Debatte warfen die Writers-in-Exile Stipendiaten Anise Jafarimehr (Iran), Barbaros Altug (Türkei) und ein afghanischer Journalist (aus Sicherheitsgründen anonym) sowie der Elsbeth-Wolffheim-Stipendiat Pezhman Golchin und die Menschenrechtsaktivistin Monireh Kazemi (Iran) ein Schlaglicht auf die Situation der Frauen in ihren Heimatländern.
Anise Jafarimehr – “Alle Teile deiner Identität sind in Gefahr”
Anise Jafarimehr ist eine iranische Schriftstellerin und Kulturaktivistin. Seit September 2021 ist sie Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms. Aufgrund ihrer schriftstellerischen Tätigkeit und politischen Arbeit zur Erhaltung der kurdischen Sprache und Kultur wurde sie von iranischen Sicherheitskräften verfolgt.
Auf Deutsch: “Stellen Dir vor, Du bist eine Frau im Iran. Du hast kein Recht auf Selbstbestimmung. Das Regime, das Patriarchat, der Mann deiner Familie, entscheidet für dich. Und du bist eine Kurdin. Du hast kein Recht als Volk im Iran. Du kannst nicht in deiner Sprache studieren […] Du kannst nicht deine politischen Parteien haben. […] Und du bist kein Moslem. Du kannst das natürlich nicht sagen, denn die Strafe dafür wäre – Hinrichtung. Alle Teile deiner Identität sind in Gefahr. Wir können im Iran nicht wir selbst sein, als nicht-muslimische, kurdische Frauen.”
Monireh Kazemi – “Hier geht es um Werte wie Würde oder Freiheit”
In den 1960er Jahren im Iran geboren, musste Monireh Kazemi mit 24 Jahren nach Deutschland fliehen. Aufgrund ihrer Haltung zum iranischen Regime drohte ihr damals Gefahr. In Deutschland fand sie eine neue Heimat und setzt sich seitdem weiterhin für Frauenrechte und Selbstbestimmung ein.
Auf Deutsch: “Iranische Frauen bekommen Peitschenhiebe und harte Gefängnisstrafen, wenn sie in der Öffentlichkeit keinen Hidschab tragen. Hier geht es nicht um ein Stück Stoff. Hier geht es um Werte wie Würde, Freiheit, Wahlfreiheit und Demokratie. Nichts davon existiert für Frauen im Iran.”
Barbaros Altug – “Die letzte Generation, die Modernisierungsgeschichten noch gelernt hat”
Barbaros Altuğ ist Schriftsteller und LGBTQIA+ Aktivist aus der Türkei. 1999 gründete er in Istanbul die erste türkische Literaturagentur. Seit Dezember 2020 ist er Stipendiat des Writers in Exile-Programms des PEN .
Auf Deutsch: “Vor 100 Jahren – mit der neuen Verfassung in der Türkei – hat die Regierung den Frauen alle Rechte gegeben. Die Türkei war eines der ersten Länder der Welt, die das getan hat. Ich bin über 50 und vielleicht bin ich die letzte Generation, die all diese Modernisierungsgeschichten in den Schulbüchern noch gelernt hat. Jetzt lernen Kinder das nicht mehr.”
Afghanischer Journalist – “Wo Menschenrechte Luxusdiskurse sind”
Aus Sicherheitsgründen bleibt der afghanische Journalist anonym. Seit 2021 ist er Writers-in-Exile-Stipendiat des deutschen PEN-Zentrums.
Auf Deutsch: “Ich werde euch mitnehmen auf in die dunkelste Seite der Welt, wo Demokratie, Menschenrechte, Frauenrechte und Wahlen Luxusdiskurse sind. Ich komme aus einem Land, in dem Mädchen von der Bildung ausgeschlossen sind. Frauen werden von der Arbeit in der Regierung oder anderen NGOs ausgeschlossen. Ein Land, das ein Gremium einsetzt, um alle Bücher zu überprüfen, die in den letzten zwei Jahrzehnten in Afghanistan im Namen der Demokratie veröffentlicht worden sind.”
Zudem betonte er: “Selbst ich als Afghane stimme den westlichen Bürgern zu. Die es leid sind, von Afghanistan zu hören. Ich verstehe euch. Ihr wart zwei Jahrzehnten dort und es hat sich nichts geändert. […] Wir wollen von euch gar nicht, dass ihr wieder Truppen nach Afghanistan schickt. Waffen bringen keine Demokratie. Wir wollen nur von der internationalen Gemeinschaft nur, dass sie die Taliban isoliert. Gebt den Taliban nicht Milliarden von Dollar.”
Pezhman Golchin – “Die Vorreiterin Táhirih”
Auf Deutsch: “Im 19. Jahrhundert gab es eine Frau, Táhirih, die ihr Kopftuch abgenommen hat. In einer sehr traditionellen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der die Männer den Frauen nicht erlaubten, irgendetwas zu tun. Und sie nahm ihr Kopftuch ab und sagte: “Ich glaube nicht daran. Wir sollten gleiche Rechte haben.’ Und das geschah vor mehr als 100 Jahren im Iran. Damals war sie eine Vorreiterin bei einer Gruppe namens Baháʼí.”
Hier können Sie die ganze Podiumsdiskussion sehen: