Wir trauern um unser Mitglied Rajvinder Singh, der am 16. Dezember 2021 in Berlin verstorben ist. Ein Nachruf von Christoph Links.
Rajvinder Singh stammte aus dem indischen Bundesstaat Punjab, wo er in den 1970er Jahren Politische Ökonomie und Anglistik studierte, um später einmal Autor zu werden. Er stellte sich damit gegen seinen Vater, der für ihn ein Medizinstudium vorgesehen hatte, was zu einem tiefen, langjährigen Bruch führte. Als Aktivist der Studentenbewegung war er mehrfach inhaftiert und emigrierte 1980 nach Europa, zunächst nach Frankreich, dann nach West-Berlin. Hier studierte er zusätzlich Linguistik und begann ab 1986 literarische Texte zu publizieren, sowohl Gedichte als auch Prosa – zunehmend auf Deutsch. Nebenher arbeitete er als Synchronsprecher für Figuren mit indischer Herkunft.
Er fühlte sich in Berlin nach dem Fall der Mauer sehr wohl und interessierte sich auffallend für den neuen ostdeutschen Teil der Bundesrepublik, wozu auch sein Stadtschreiberstipendium 1997 in Rheinsberg beitrug. Es folgten Förderaufenthalte in Worpswede, Remscheid und Trier sowie in Wewelsfleht, wohin ihn 2007 und 2010 ein von unserem Ehrenpräsidenten Günter Grass gestiftetes Alfred-Döblin-Stipendium führte.
Der aus der DDR stammende Indologe Roland Beer verlegte viele seiner Werke im Lotos Verlag und widmete ihm 2003 einen Band mit 50 seiner ausgewählten Gedichte, die von langjährigen Freunden, Autoren und kulturellen Partnern zusammengestellt worden waren, darunter Brigitte Burmeister, F. C. Delius, Ilija Trojanow, Georg Lechner, Dietger Pforte sowie Uli und Franz Lebfromm.
Er engagierte sich in der Neuen Gesellschaft für Literatur, wo er von 1987 bis 1989 im Vorstand tätig war und im PEN-Zentrum Deutschland, wo er sich seit seiner Zuwahl 1996 besonders für die Arbeit des Writers-in-Prison-Komitees einsetzte.
Ich habe ihn bei vielen gemeinsamen Veranstaltungen erlebt und seine stets freundliche, aber in der Sache sehr klare Haltung bewundert und geschätzt. Wir verlieren mit ihm eine besondere Stimme in unserem weltweiten Engagement für die Freiheit des Wortes.