Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sind die Fronten verhärtet. Die Terroroffensive der Hamas gilt als das schlimmste Massaker an Juden seit der Shoah. Und es bleibt die Frage: Wie ein überwiegend freiheitlich orientierter Staat bzw. eine Gesellschaft mit einer Bedrohung dieses Ausmaßes umgeht? Darüber sprachen der Historiker Ernst Piper, der Antisemitismusforscher Stephan Grigat, und der Iraner Pezhman Golchin, Elsbeth Wolffheim-Stipendiat der Stadt Darmstadt, mit PEN-Vizepräsidentin Astrid Vehstedt.
Der Antisemitismusforscher Stephan Grigat wies auf die verheerenden Folgen des Angriffs vom 7. Oktober hin – und auf die Mitverantwortung Deutschlands. Denn unterstützt würden die Hamas und andere islamistische Terrorgruppen vom iranischen Regime.
Grigat machte deutlich, dass die deutsche Iran- und Nahostpolitik eine Mitverantwortung trage, weil sie durch Handelsbeziehungen und Unterstützung deutscher Unternehmen dem iranischen Regime ermögliche, diese Gruppen zu bewaffnen und auszurüsten: “Zugespitzt formuliert: Das Geld für den Angriff des 7. Oktober kommt aus Deutschland.“
Pezhman Golchin, der im Iran mit anti-israelischen Doktrinen groß geworden ist, betonte, dass er heute auf Demonstrationen für Israel gehe. Und das nicht nur aus religiösen Gründen, sondern sich aufgrund der demokratischen Werte für die Menschen in Israel einsetze. Ihm sei wichtig, sich gegen Antisemitismus und gegen solche terroristischen Angriffe zu positionieren und solidarisch an der Seite Israels zu stehen.
Auf die Frage, ob eine historische Aufarbeitung des Holocausts angesichts des verstärkten Antisemitismus überhaupt wirksam war, betonte Ernst Piper: „Der Hauptangriff auf die deutsche Erinnerungskultur kam aus dem Ausland.“ Diese Angriffe zielten darauf ab, die Bedeutung des Holocausts zu relativieren und ihn in eine allgemeine Geschichte der Gewalt einzubetten.
Auch erinnerte Ernst Piper an eine antisemitische Performance, die es am 13. November, gut einem Monat Terrorangriff der Hamas, an der Universität der Künste in Berlin gegeben hatte. Dort zeigten Studentinnen und Studenten ihre roten Hände und knüpften damit an den einem Lynchmord aus dem Jahr 2000 an: Zwei israelische Reservisten waren dort versehentlich in die Autonomiestadt Ramallah gefahren. Während sie von der Polizei verhört wurden, hatte sich das Gerücht verbreitet, sie seien-Undercover Agenten der israelischen Armee, worauf sich ein Mob bildete, der in das Polizeirevier stürmte und beiden Israelis brutal ermordete. Einer der Mörder zeigte später triumphierend seine roten Handflächen.
Stephan Grigat stimmte Ernst Piper insofern zu, als es einen Geschichtsrevisionismus mittlerweile nicht nur von rechts, sondern auch von politisch links gebe – und spricht von einem Erlösungs-Antizionismus von links, wo globale linke Ikonen wie Judith Buttler sich für Israel weder eine Verhandlung, einen Ausgleich noch eine 2-Staatenlösung vorstellen könnten. „Wo man will, dass Israel verschwindet“ und wo man „diesen antisemitischen Vernichtungsgedanken aus 2. Weltkrieg wieder aufgreift“, ergänzt er.
In einem positiven Ausblick wies Stephan Grigat daraufhin, dass es im arabisch-israelischen Raum aber auch viele Annäherungen gebe. So gebe es weitgehende Friedensabkommen mit Marokko und den Vereinigten Emiraten. „Ganz aktuell wird dort etwa auch über Einführung von Holocaust-Education in die Curricular diskutiert“