Initiiert und organisiert von Mitgliedern des deutschen PEN-Zentrums fanden am 17. März 2023, dem Vorabend des Welttages der politischen Gefangenen, Lesungen in Köln, Leipzig, Mannheim und München statt. Eigene Texte sowie Texte politischer Gefangener aus Gegenwart und Vergangenheit lasen Simone Barrientos, Christine Hoba, Vera Botterbusch, Hasan Dewran, Carl-Christian Elze, Gabriele Gillen, Ralph Grüneberger, Rita Hausen, Margit Hähner, Roman Israel, Tanja Kinkel, Manfred Klenk, Dagmar Leupold, Dorothea Renckhoff, Bernt Hahn, Andreas Rumler, Bernhard Schader, Johano Strasser, Gabriele Pommerin-Götze, Hans-Walter Voigt und Cornelia Zetzsche.
Von gestern bis heute. Texte aus dem Gefängnis. | Lesung im Domforum in Köln
Sehr gerne habe er die Lesung gemeinsam mit dem PEN ausgerichtet, so Rainer Tüschenbönner, Leiter des Domforums, am Freitag Abend im Domforumin in Köln in seinen einleitenden Worten.
Vier Akteure – Dorothea Renckhoff, Margit Hähner, Andreas Rumler und Bernt Hahn – lasen Texte inhaftierter Autoren. Die eigentliche Moderatorin des Abends, Gabriele Gillen, musste leider kurzfristig aufgrund einer Erkrankung absagen. Dank ihrer guten Vorbereitung konnte Margit Hähner die Moderation ohne Probleme übernehmen. Gelesen wurden Texte bekannter Autoren, die einen Bogen schlugen vom 18. Jh. bis zu heutigen Stipendiaten des PEN. Zu Wort kamen Henri Masers de Latude, Giacomo Casanova, Fjodor Dostojewskij, Alexander Solschenizyn, Erich Mühsam, Petter Moen, Enoh Meyomesse und Ahmet Altan. Den Abschluss bildete ein Appell des Kölner 1848-er Revolutionärs Robert Blum.
Die Pianistin Kathrin Eigendorf verlieh dem Abend mit feinfühlig ausgewählten Klavierstücken eine besondere Note.
„Das verbotene Wort“ | Konzertlesung im Verlag Waldkirch in Mannheim
Barbara Waldkirch
Die Verlegerin Barbara Waldkirch verwies zu Beginn der Konzertlesung darauf, dass der Verlag mit seiner Gründung 1582 in Basel bereits sich dem „freien Wort“ verpflichtet hat – damals in der Veröffentlichung protestantischer Schriften.
Die musikalische Begleitung übernahmen Emre und Eren Can Erol der Gruppe „Telde. Deva“ der Orientalischen Musikakademie Mannheim auf der türkisch/iranischen Zither Kanun und der türkischen Laute Baglama, später auf der iranischen Laute Saz.
Der selbständige Autor des Kulturnetzwerks Mannheim-Heidelberg Hasan Dewran kommt aus der Sprachkultur der Zaza (dem Zazaischen), am nordwestlichen Rand des kurdischen Sprachgebiets, die heute von ca. 2 Mio. Menschen in Südostanatolien als Muttersprache verwendet wird. Hasan Dewran kennt die Repression am eigenen Leib, die Unterdrückung dieser Kultur in Wort und Schrift über den türkischen Staat hinaus.
Rosa Ahmadipour
Rosa Ahmadipour, seit 2017 aus dem Iran gekommen, in Mannheim lebend, mag die Gedichte der iranischen Lyrikerin Atefeh Chaharmahalian sehr. Sie trug Atefehs Gedicht „In den tristen Augenblicken“ sehr ergreifend auf Farsi (in persischer Originalsprache) vor.
Hans-Walter Voigt aus Ludwigshafen, Mitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER’77“, trug die Übersetzung von Atefehs Gedicht in deutscher Sprache vor (übersetzt von: Ali Abdullahi und Kurt Scharf, Sujet Verlag) und stellte u.a. noch zwei iranische Gedichte in den Mittelpunkt seines Vortrags von der Deutsch-Iranerin Naziri aus Hamburg: „Freiheit, goldner Vogel“ und „Schwester im Iran“.
Bernhard Schader aus Mannheim, Vorstandsmitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER ’77“, trat auf die Bühne und begeisterte mit seiner historischen Geschichte vom unfreien Wort zu „Jan Hus“. Rita Hausen aus Waldorf, Vorstandsmitglied des „Literarischen Zentrums Rhein-Neckar DIE RÄUBER ‚77“ überraschte mit ihrem Essay zum „Kopftuch / Frauenprotest im Iran“ .
Manfred Klenk
Manfred Klenk moderierte den Abend.
Seine Beiträge zum Ende der Veranstaltung bezogen sich auf zwei Gedichte aus dem Buch „Worthaft“ von der Lyrikgesellschaft Leipzig, darunter Erich Mühsams Gedicht: „Der Gefangene – sich fügen heißt lügen“.
“Für die Freiheit des Wortes” | Lesung in der Seidl Villa in München
Ein sehr interessiertes Publikum begleitete am Freitagabend in der Münchner Seidlvilla den Leseabend zum Tag des politischen Gefangenen. Dabei war es Vera Botterbusch als Moderatorin sehr wichtig, eine Verbindung herzustellen zum Elend der Menschenverachtung im Dritten Reich, zu dem schweren Erbe, das wir in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg antreten mussten.
So las Simone Barrientos aus Victor Klemperers Tagebüchern (1933-1945), Dagmar Leupold las eigene Gedichte zu Krieg und Gewalt, Johano Strasser eine Erzählung, die sich mit Problemen der Integration in eine fremde Gesellschaft befasst, Gabriele Pommerin-Götze aus „Himmel über Charkiw“ des ukrainischen Dichters Serhij Zhadan. Dann folgte Tanja Kinkel mit einem Text von Selahattin Demirtaş, der in der Türkei im Gefängnis sitzt, Cornelia Zetsche las Zeugnisse der iranischen Dichterin und Aktivistin Atefeh Chaharmahalian, Vera Botterbusch las für den auf Grund eines Unfalls verhinderten Christoph Lindenmmeyer einen Brief vom aus dem Iran in die Türkei geflohenen Soroosh Mozaffar Moghaddam an das ihn unterstützende deutsche PEN-Zentrum und zum Schluss Überlegungen von Tsitsi Dangarembga zu Problemen des kolonialen Erbes in Simbabwe.
Eine Veranstaltung des deutschen PEN-Zentrums und der Louise-Aston- Gesellschaft.
“Das verbotene Wort” | Lesung im Soziokulturellen Zentrum naTo Leipzig e.V.
Vor allem ein jüngeres, wenn auch gezähltes Publikum sprach die Lesung am Welttag der politischen Gefangenen in Leipzig an. Im sozio-kulturellen Zentrum in Leipzigs Süden las zum Auftakt Carl-Christian Elze aus den „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ von Dostojewski und verdeutlichte die Tradition Russlands im Umgang mit Menschen, die nicht die Meinung des jeweiligen Zaren vertreten.
Ralph Grüneberger, der Initiator der Veranstaltung und Herausgeber der Sammlung „Worthaft. Texte politischer Gefangener“, las Gedichte von Jürgen Fuchs und Gerulf Pannach, die beide in der DDR mit Berufsverbot belegt worden waren und nach neun Monaten Untersuchungshaft 1977 nach West-Berlin ausgebürgert wurden.
Christine Hoba, die freundlicherweise für die erkrankte Katharina Bendixen eingesprungen ist, beeindruckte das Publikum mit dem Langgedicht „Massaker“ von Liao Yiwu, einem chinesischen Autor, der seit mehr als zehn Jahren in Berlin im Exil lebt, sowie mit dem Gedicht der Iranerin Atefeh Chaharmahalin „Ein Kleid für Zohreh“ und mit Auszügen aus deren Gefängnisnotizen.
Den literarischen Abschluss bildete Roman Israels Lesung von Gedichten des aus Syrien geflohenen Dichters Yamen Hussein, der ebenfalls in Berlin im Exil lebt und ein früherer Stipendiat des Programms „Writers-in-Exile“ des PEN-Zentrums Deutschland ist. In seiner Lyrik besingt Hussein seine Wahlheimat München und gibt somit in Dankbarkeit ein Stück Beachtung an seinen Stipendienort zurück.
Im musikalischen Teil des Abends brachte der Leipziger Musiker Jörg Schneider, der u.a. der Formation „Three Forks“ angehört, vor allem Bluestitel zu Gehör.
Der herzliche Applaus galt allen Akteuren des Abends gleichermaßen.