Fouad Yazji

Fouad Yazji wurde 1959 in Homs geboren. Die Wurzeln seiner Eltern, orthodoxen Christen, gehen zurück bis auf den Schriftsteller und Übersetzer Ibrahim Al-Yazji, der ursprünglich aus dem Dorf Marmarite stammte. Eine Leidenschaft für die Mathematik hatte Fouad Yazji bereits im Kindesalter. Als junger Mann erwarb er einen Master in Pädagogik. Irgendwann stellte er allerdings fest, dass durch die Mathematik seine Fantasie nicht in dem Maße angeregt wurde, wie er sich das wünschte, und so entdeckte er eine neue Passion, nämlich das Schachspiel. Er nahm in Homs an einem Schachturnier teil – und gewann. Aber bald genügte ihm das Schachspiel nicht mehr, und so begann er sich immer mehr für die Literatur zu interessieren. Er begann zu schreiben, beflügelt durch die Lektüre des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. Dessen philosophische Texte beeinflussten Yazjis Schreiben immens. So nachhaltig, dass er einen Roman mit dem Titel Blaue Wolga schrieb, in den er eine Menge von Nietzsches Gedankengut einfließen ließ. Doch nicht nur Nietzsche, auch der mittelalterliche islamische Mystiker Daschalal ad-Din Rumi wirkte stark auf ihn ein. Sätze wie „Sei nicht ohne Liebe, sonst fühlst du dich wie tot, sterbe in Liebe, und lebe ewig“, haben sein Nachdenken über die Liebe stark geprägt. Unter diesem Eindruck hat Yazji den Roman Die sieben Gebete der Liebe geschrieben und sich an einige Übersetzungen aus dem Englischen ins Arabische gemacht. Seine Familie wurde im Krieg an verschiedene Orte Syriens verstreut. Von November 2015 bis Oktober 2018 war Fouad Yazji Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN. 2017 erschien ein Text Yazjis in der PEN-Anthologie Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren im S. Fischer Verlag.

Foto: Roland Baege

Erik Arellana Bautista

Erik Arellana Bautista, geboren 1974 in Bogotá, ist ein kolumbianischer Menschenrechtsaktivist, Dokumentarfilmer, Journalist und Autor. Er gründete eine Stiftung, die nach seiner Mutter Nydia Erika Bautista benannt ist und arbeitet unermüdlich gegen das Vergessen der im bewaffneten kolumbianischen Konflikt Verschleppten und Verschwundenen. Arellana Bautistas Mutter, die in den achtziger Jahren politisch im Untergrund arbeitete, wurde 1987 durch kolumbianische Paramilitärs entführt und ermordet. Aufgrund seines Engagements wurde auch er verfolgt und bedroht. Von 1997 an lebte er zehn Jahre in Deutschland, hier konnte er Audiovisuelle Kommunikation an den Kunsthochschulen in Kassel und Weimar studieren, begann literarisch zu schreiben und Dokumentarfilme zu drehen. Immer wieder kehrte er zu seinem Hauptthema zurück: Die Verschwundenen und der Schmerz ihrer Angehörigen. „Das Verschwindenlassen löscht die Geschichte jedes einzelnen Menschen aus“, schreibt er. 2006 kehrte er nach Kolumbien zurück, um als Journalist und Universitätsdozent in Bogotá zu arbeiten. Es entstanden mehrere künstlerische Arbeiten, wie das audiovisuelle Projekt „Geomalla“ (2011), das Erinnerungsmodule und aktuelle Ausdrucksformen urbaner Subkulturen miteinander in Beziehung setzt. In seinem Gedichtband Transitos de un hijo al Alba (2011) beschäftigt er sich mit dem eigenen Schicksal als Sohn einer Verschwundenen und erzählt die Geschichte eines Volkes ohne Namen. Arellana Bautista begann damit, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und Erinnerung gegen Vergessen zu setzen, doch zunehmend geriet die Arbeit seiner Stiftung in Kolumbien unter Druck, Büroräume wurden überwacht, Mitarbeiter belästigt und verfolgt. Seine Wohnung wurde im Mai 2013 aufgebrochen und sein PC mit Informationsmaterial über jene Opfer, die von der Stiftung betreut wurden, gestohlen.

Im Juni 2014 wurde er Stipendiat im Writers-in-Exile Programm des PEN und lebte in Hamburg. Bundesweit nahm Arellana Bautista an einer Vielzahl literarischer und künstlerischer Veranstaltungen teil, hielt Lesungen und referierte u.a. an Universitäten zur Problematik der Menschenrechte in Kolumbien sowie zum Thema Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillagruppe FARC. Außerdem war er weiterhin als Journalist tätig und veröffentlichte Gedichte in der Zeitschrift die horen (Band 261, 2016). 2017 erschienen mehrere Texte Arellana Bautistas in der PEN-Anthologie Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren im S. Fischer Verlag. Im August 2017 kehrte Erik Arellana Bautista nach Kolumbien zurück.

Zobaen Sondhi

Zobaen Sondhi, geboren 1974 in Joypurhat, Bangladesch, arbeitete 21 Jahre als Bibliothekar des Dinajpur Textil-Instituts (Textile Institute Dinajpur, DTI), das dem Textil- und Jute-Ministerium Bangladeschs unterstellt ist. An der „Asian University of Bangladesh“ erwarb er einen Master of Science in „Information Science und Library Management“.

Sondhi ist Blogger, Dichter und Online-Aktivist. Er war Herausgeber der vierteljährlich erscheinenden bengalischen Literaturzeitschrift Ongshumali und Redakteur der monatlich erscheinenden Zeitschrift Bastra Jagat. Sondhi ist Mitbegründer der Internetseite Nobojug (New Age), ein Forum für Diversität und Toleranz. In seinen Texten konzentriert sich Sondhi auf die Verbreitung humanistischer Ideologien, islamischen Terrorismus, Zwangskonvertierung und Aberglaube. Sich selbst bezeichnet er als Atheist. In seinen Onlinetexten behandelt er Fragen zum Terrorismus und zu Menschenrechtsverletzungen, außerdem schreibt er immer wieder über das Verhältnis des Islam zur bangladeschischen Gesellschaft und den politisch instrumentalisierten Gewaltaspekten der Religion. Das letztgenannte Thema ist nicht zuletzt dem traurigen Umstand geschuldet, dass Sondhi selbst frühe Gewalterfahrungen am eigenen Leib erfahren musste. 1988 bereits war Sondhi politisch engagiert als Mitglied einer säkularen linksgerichteten Partei. Das wurde ihm zum Verhängnis, er fiel einem Angriff zum Opfer und wurde von gewaltbereiten radikal-islamistischen Fundamentalisten brutal angegriffen und schwer verletzt. Glücklicherweise konnte er von Passanten gerettet und noch rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht werden.

Seit 2013 begann die Regierung Bangladeschs auf Druck radikal-islamischer Gruppen, Beiträge humanistischer und islamkritischer Autoren zu zensieren. Es kursierte eine Liste mit den Namen von zahlreichen islam-kritischen Bloggern, denen Blasphemie vorgeworfen wurde. Zobaen Sondhi war einer der Blogger auf dieser Liste. Später forderten fundamentalistische Gruppen mit mutmaßlicher Verbindung zu Al-Qaida und ISIS die Todesstrafe für diese Blogger. Sie kündigten an, einen nach dem anderen von ihnen zu exekutieren. Es begann eine Jagd auf die Online-Aktivisten, wobei einige auf grausame Weise getötet wurden. Panik verbreitete sich innerhalb der Blogger-Community, viele löschten ihre Texte und halten sich bis heute versteckt oder gingen ins Exil. Die Regierung und die Sicherheitsbehörden Bangladeschs sahen tatenlos zu und unternahmen nichts, um die Täter zu fassen. Bislang halten diese politisierten Hetzjagden an. Man ist nach wie vor bemüht, alle system- und islamkritischen Stimmen auszuschalten, um die innenpolitische Situation zu harmonisieren.

Auch Zobaen Sondhi erhielt Todesdrohungen. Die letzten Monate verbrachte Sondhi aus Angst vor Übergriffen fern seiner Heimat. Von August 2016 bis Oktober 2019 lebte Zobaen Sondhi als Writer in Exile im Stipendienprogramm des deutschen PEN in Berlin.

Foto: Stefanie Silber

Cosmos Eglo Akoete

Cosmos Eglo Akoete wurde 1963 in Lomé, der Hauptstadt Togos, geboren. Er ist Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist. Im Zuge einer Hausdurchsuchung vernichteten Soldaten 1992 sein Manuskript zu einem Langgedicht. Er selbst wurde verhaftet, stundenlang verhört, gefoltert und schließlich gezwungen zu schwören, dass er nie wieder etwas Politisches schreiben werde. Als er 1996 auf einer Kundgebung in Lomé mitteilte, einen Roman zu schreiben, in dem er sich kritisch mit dem System in Togo auseinandersetzen wolle, wurde der Druck verschärft. So blieb ihm nur die Flucht ins benachbarte Ghana. Auch dort war er politisch aktiv, gründete ein Amnesty-International-Büro in Hohoe und eine NRO, die sich für das Verbot der rituellen Versklavung junger Mädchen einsetzt. Da die Regierungen Ghanas und Togos freundschaftliche Beziehungen miteinander pflegen, darf ein in Togo Verfolgter in Ghana schwerlich auf Hilfe hoffen. Als Cosmos Eglo Akoete 2003 um Asyl bat, blieb sein Antrag fünf Jahre „unauffindbar“ und als er ihn 2008 erneut stellte, empfahl man ihm, doch einfach mit dem Schreiben aufzuhören, dann könne er getrost nach Togo zurückkehren. Deshalb blieb er weiterhin ohne Pass und Flüchtlingsstatus. Nachdem der PEN im März 2010 seinen Antrag auf ein Writers-in-Exile-Stipendium positiv beschied, wurde er in Ghana noch stärker drangsaliert, und auch die deutschen Behörden wiesen ihn zunächst aufgrund des fehlenden Passes ab. So dauerte es zwei Jahre, bis er sein Stipendium antreten konnte. Von April 2012 bis April 2013 war er Stipendiat des Writers-in-Exile Programms des PEN.

Ana Lilia Pérez

Die Schriftstellerin und Journalistin Ana Lilia Pérez wurde 1976 in Mexiko-Stadt geboren. Sie studierte Geschichte, Publizistik, Finanzjournalismus und  Kommunikationswissenschaft, bevor sie begann, als Journalistin zu arbeiten. Bald war sie eine der renommiertesten Reporterinnen Mexikos, seit 2003 arbeitete sie für die großen politischen mexikanischen Magazine Contralínea und Fortuna, aber auch für wichtige internationale Medien. Bekannt wurde sie durch die Aufsehen erregenden, akribisch und mutig recherchierten Reportagen in den großen mexikanischen Publikationsorganen wie La Jornada, El Financiero, oder Milento und vielen anderen internationalen Zeitschriften. Ihr spezieller Themenbereich umfasst die Korruption im Land, Geldwäsche und Menschenhandel, das organisierte Verbrechen, ganz besonders die heillose Verstrickung von Politikern und Wirtschaftsunternehmen mit der Mafia. Ana Lilia Pérez publizierte mehrere Bücher über das, was ihr bei ihren Recherchen widerfuhr. 2010 erschien Camisas Azules, Manos Negras (Blaue Hemden, schwarze Hände, Random House) und 2011 El Cártel Negro: Cómo el crimen organizado se ha apoderado de Pemex (Random House), in denen sie ihre Nachforschungen über die illegalen Geschäfte des staatlichen Mineralölkonzerns Petróleos Méxicanos (Pemex) dokumentiert und die Vernetzung hoher Staatsbeamter der mexikanischen Regierung mit der Mafia und der organisierten Drogenkriminalität im ganz großen Stil unter Beweis stellt. Ihre abenteuerlichen, mutigen, oft lebensbedrohlichen Recherchen hatten willkürliche Haftbefehle, Verfolgung, Androhungen gerichtlicher Verurteilungen und Morddrohungen zur Folge. Trotz ihrer angespannten Situation in Mexiko blieb sie kämpferisch und beharrte ohne Zugeständnisse auf ihrem Recht auf Meinungsfreiheit. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, darunter 2012 mit dem „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ der Leipziger Medienstiftung. Im Juni 2013 verlieh ihr die mexikanische Journalistenvereinigung die Medaille für die Verteidigung der Freiheit. Von Juli 2013 bis Juni 2014 war sie Stipendiatin im Writers-in-Exile Programm und kehrte anschließend nach Mexiko zurück, um dort ihre Arbeit fortzusetzen. 2014 wurde ihr Buch Mares de cocaína. Las rutas náuticas del narcotráfico in Mexiko veröffentlicht, 2016 erschien das Buch Kokainmeere. Die Wege des weltweiten Drogenhandels auf Deutsch.

Foto: Simone Ahrend

Arpita Roychoudhury

Die Bloggerin und Aktivistin Arpita Roychoudhury (Pseudonym) wurde 1995 in Bangladesch geboren. Aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit wurde sie als Mitglied einer hinduistischen Minderheit früh mit Diskriminierung konfrontiert. 2012 begann Arpita Roychoudhury, auf Facebook und bengalischen Blogs unter ihrem wahren Namen über die Diskriminierung von Frauen, Kindern und Minderheiten zu schreiben. Nachdem ihr Profil mehrfach gesperrt und ihr gedroht wurde, schrieb sie unter dem Pseudonym Arpita Roychoudhury.

In 2013 begann die bengalische Regierung auf Druck radikal-islamistischer Gruppen, Beiträge humanistischer und islamkritischer Autoren durch eine Änderung der Sektion 57 des Information & Communication Acts zu zensieren. Mehrere Blogger wurden auf grausame Weise ermordet, viele flohen ins Ausland und waren gezwungen, ihre Texte aus dem Internet zu löschen. Unter diesen Verschärfungen der Gesetze litt auch Roychoudhury, die Drohungen gegen sie verschärften sich zunehmend, ohne dass die Behörden etwas dagegen unternahmen.

Seit 2014 war Roychoudhury für den Blog „Nobojug“ (übersetzt: Neues Zeitalter) tätig, wo sie eine leitende Position einnahm. Als exponiertes Mitglied der feministischen, säkularen Blogger-Szene wurde sie in ihrer Heimat öffentlich belästigt, bedroht und misshandelt. Eine Gruppe Jugendlicher drang in ihr Elternhaus ein und bedrohte die ganze Familie. Roychoudhury wurde von einer Gruppe aggressiver Männer durch Vergewaltigung bedroht, außerdem gab es Morddrohungen. Nichtsdestotrotz begann sie einen Bachelor of Science in Botanik an der National University of Bangladesh, in der Hoffnung, auf dem Campus sicherer zu sein. Sie schrieb weiterhin kritische Blogbeiträge, bevor sie entführt, tagelang gedemütigt und gefoltert wurde. Auch die staatlichen Behörden verweigerten ihr die Unterstützung, selbst als Roychoudhury nach eigenen Angaben nur knapp einem Mordanschlag auf offener Straße entging.

Schließlich brach sie ihr Studium ab und floh mithilfe eines Stipendiums von Frontline Defenders (FLD), Center of Inquiry (CFI), Protecting Belief Asia Region und Forum Asia, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester nach Indien. Von Dezember 2017 bis Dezember 2018 lebte Arpita Roychoudhury als Writer in Exile im Stipendienprogramm des deutschen PEN in Berlin. Im Dezember 2018 verstarb sie in Deutschland.

Foto: Stefanie Silber

Aleksei Bobrovnikov

Der ukrainische Autor und investigative Journalist Aleksei Bobrovnikov entlarvte durch seine Recherchen Verbindungen zwischen einem Schmugglerring und dem ukrainischen Militär. Daraufhin erhielt er öffentlich Todesdrohungen und sah sich gezwungen, seine Heimat zu verlassen.
Der Print- und Fernsehjournalist Aleksei Bobrovnikov wurde 1979 in der Ukraine geboren. In zahlreichen Verlagen veröffentlichte er seine Bücher und Kurzgeschichten in ukrainischen Wochenmagazinen. Sein jüngstes Buch The Edges of Georgia erschien beim ukrainischen Verlag  Kharkiv, der dem Bertelsmann Verlag untersteht. Zudem hat er als Drehbuchautor gearbeitet, unter anderem für den Dokumentarfilm „Katyn: Letters from Paradise“, der in Polen und der Ukraine große Beachtung fand.
Die seit 2014 umkämpfte Region Donbas war seit dem Austritt der Ukraine aus der UdSSR stets ein Tummelplatz für Schmuggler, Geldwäscher und das grenzübergreifende organisierte Verbrechen. Um den Schmuggel mit Waffen, Tabak, Treibstoff, Hilfsgütern, Gold und anderem nach Russland und in die Ukraine zu unterbinden, rief Kiew eine spezielle Fahndertruppe ins Leben. Der Chef und einige Mitglieder dieser Einheit sowie diverse Strippenzieher unter den Schmugglern und ihren politischen Hintermännern sind seitdem ums Leben gekommen. Seit Anfang 2014 berichtete Bobrovnikov über die Majdan-Proteste in Kiew und hat seit 2015 über Schmugglerrouten im umkämpften ostukrainischen Donbas recherchiert. Im Verlauf seiner Recherche war er auf Verwicklungen der 92. Brigade, einer ukrainischen Eliteeinheit, unter anderem in Schmuggelgeschäfte mit russischen Militärs und Separatisten gestoßen. Aufgrund seiner Recherchen erhielt er mehrfach Drohungen, sogar vor laufender Kamera. Auch das Militär fordert öffentlich
seinen Tod, so schreibt der Offizier Leonid M. auf Facebook: „Sie müssen sterben. Und zwar schneller als sie glauben.“ Sein wichtigster Zeuge, ein Fahnder des ukrainischen Geheimdienstes, der den Schmuggel dokumentierte, wurde in einem von der 92. Brigade kontrollierten Gebiet ermordet.
Seine Recherche-Ergebnisse gegen Mitglieder der 92. Brigade wurden von derMilitärstaatsanwaltschaft in Kiew nie ausgewertet. Stattdessen wurden die Ermittlungen gegen alle Verdächtigen im vergangenen Oktober überraschend eingestellt, teilte die Hamburger Stiftung für
politisch Verfolgte mit. Bobrovnikov arbeitete damals für den Sender 1+1, der einem Oligarchen gehört. Seine Radaktion setzte ihn immer stärker unter Druck und drängte ihn, seine Recherchen einzustellen. Im Juni 2016 musste er schließlich kündigen. Selbst als er mehrere Monate in der
Westukraine untertauchte, erhielt er weiterhin Drohungen. Im September 2016 wurde Bobrovnikov vor einem Mordplan des ukrainischen Militärdienstes gewarnt und verließ das Land fluchtartig.

Von Januar 2017 bis Februar 2018 war er Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Derzeit arbeitet er an einem Buch über den Schmuggel in der Ostukraine. Er war von 2018 bis 2021 Stipendiat des Writers-in-Exile Programms des deutschen PEN.

Bedeutungslose Daten

Bedeutungslose Daten
erinnern dich an
die Bedeutung.
Die Macht der Null
dieser Grundbegriff der Mathematik
das Ding, das zum Aufstieg und zum Untergang von Reichen führte
lange vor dem Manhattan-Projekt —
diese Multiplikationskraft des Nichts
die einem die Geldbörse leer macht
den Kopf aber
auffallend
voll

Amir Valle

Amir Valle wurde 1967 in Guantánamo auf Kuba geboren. In Santiago de Cuba und in La Habana studierte er Journalismus und Publizistik. Seit dem Ende seines Studiums im Jahr 1989 ist er als Autor, Literaturkritiker und Journalist tätig. Er wurde mit zahlreichen Literaturpreisen geehrt, unter anderem mit dem kubanischen Preis La Llama Doble für erotische Romane und dem Internationalen Rodolfo-Walsh-Preis für sein Buch Jineteras. Seine Kurzgeschichten und Literaturkritiken erschienen in zahlreichen Anthologien und Zeitschriften in Kuba und wurden international publiziert. Er hat über 20 Bücher veröffentlicht, die wie seine Artikel in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Bis zu deren Verbot durch die kubanischen Literaturbehörden war er als Herausgeber der Internet-Zeitschrift Letras en Cuba  und des Magazins A título personal – Boletín Internacional de Noticias Literarias  tätig und arbeitete danach als Chefkoordinator der Colección Cultura Cubana sowie als Herausgeber der Literaturzeitschrift Cara y Cruz des Verlags Plaza Mayor aus Puerto Rico. Die kubanische Regierung betrachtete seine internationalen Erfolge kritisch und tat alles, um ihm die Arbeit zu erschweren. Als das kubanische Kulturministerium per Eilresolution ein generelles Verbot aussprach, mit Amir Valle zusammenzuarbeiten, waren er und seine Familie in Gefahr. Nachdem seine Studie über Prostitution in Kuba heimlich auf der Insel Verbreitung fand, obwohl Fidel Castro höchstpersönlich das Buch geächtet hatte, wurde seine Lage immer bedrückender. Nach einer Buchpräsentation in Spanien wurde ihm die Rückkehr nach Kuba verweigert. Im März 2006 kam er mit seiner Familie als Gast des Heinrich-Böll-Hauses nach Deutschland und war danach von August 2006 bis Oktober 2009 Stipendiat im Writers-in-Exile-Programm des PEN. Mehrere seiner Bücher sind in deutscher Übersetzung erschienen, darunter die Romane Die Wörter und die TotenDie Türen der NachtDie Haut und die Nackten  oder die Dokumentation Habana Babilonia. Prostitution in Kuba. Im April 2010 kam der Band Abstieg in die Hölle – Zwei Thriller aus Kuba heraus. 2017 erschien ein Text Valles in der PEN-Anthologie Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren im S. Fischer Verlag.

Mit seiner Familie lebt Amir Valle heute als freier Schriftsteller und Journalist für verschiedene deutsche und spanischsprachige Medien in Berlin. Er ist Gründer und Herausgeber der iberoamerikanischen Online-Kulturzeitschrift OtroLunes.com und veröffentlichte zuletzt Romane und Anthologien in Spanien und Italien.

Foto: privat

Abbad Yahya

Der palästinensische Soziologe, Journalist und Autor Abbad Yahya wurde 1988 in Ramallah geboren. Er studierte Journalismus (Print und TV, 2009, Bachelor) und Soziologie (2013, Master) an der Birzeit Universität in Ramallah. Als Journalist, Moderator, politisch-kultureller Korrespondent und Redakteur arbeitete er für verschiedene Radiosender und Zeitungen, schrieb etwa eine Kolumne für Al-Araby Al-Jadeed. Seit 2015 ist er Chefredakteur der Ultra Sawt Agency mit Sitz in Ramallah. Daneben veröffentlichte er vier Romane. Im März 2017 war er einer von sieben Promotionsstipendiaten an der Birzeit Universität in Ramallah.

Nach Veröffentlichung seines vierten Kriminalromans „Crime in Ramallah“ wurde er im Februar 2017 auf die Fahndungsliste der palästinensischen Polizei gesetzt. Einer Festnahme entging Yahya rein zufällig, weil er sich gerade zu dem Zeitpunkt in Doha/Katar aufhielt. In dem Buch thematisiert er gesellschaftliche Tabus wie religiösen Extremismus und Fanatismus sowie Homosexualität. Der palästinensische Generalstaatsanwalt von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Ahmad Barak, bezeichnete die Inhalte des Romans als „unanständige Texte und Begriffe, die gegen Moral und Anstand verstoßen und so der Öffentlichkeit und insbesondere Minderjährigen schaden“. Daraufhin wurde das Buch in Buchhandlungen und Bibliotheken im ganzen Land von der Polizei konfisziert. Zudem wurde der Herausgeber des Buches 24 Stunden lang von der Polizei festgehalten.

Yahya, der nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte, droht im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland ebenfalls eine Inhaftierung. Unterstützung erhält er sowohl vom palästinensischen Kulturminister Ehab Bseisso also auch 99 palästinensischen Schriftstellern, Akademikern und Forschern, die gemeinsam eine Petition für die Aufhebung des Verbots sowie des Haftbefehls gegen Yahya unterzeichneten. Allerdings gab es auch Kritik aus dem Literaturbetrieb, unter anderem von Murad Sudani, dem Leiter des palästinensischen Autorenverbands. Ebenso auf Facebook erfährt Yahya auch Anfeindungen, mitunter auch Morddrohungen, die sich sowohl gegen ihn als auch seine Familie richten. Von April bis Juli 2017 war er Stipendiat im Writers-in-Exile Programm des PEN.

Foto: Roland Baege

Fethiye Çetin

Fethiye Çetin wurde 1948 in der Türkei geboren. Sie wuchs in Maden in der Provinz Elazig im Osten der Türkei auf und studierte an der Universität Ankara Rechtswissenschaften. Nach dem Militärputsch von 1980 wurde sie verhaftet und nach dem berüchtigten § 141 (Verletzung des Nationalgefühls) zu drei Jahren Haft verurteilt. 1991 wurde dieser Paragraph abgeschafft, das Urteil wurde aufgehoben. Als Rechtsanwältin und Aktivistin ist Çetin seit dreißig Jahren eine engagierte Anwältin der Menschenrechte, der Rechte von Minderheiten sowie des Rechts auf freie Meinungsäußerung. So war sie auch Verteidigerin des bekannten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink, der am 19. Januar 2007 auf offener Straße ermordet wurde – das PEN-Zentrum Deutschland ehrte die von ihm herausgegebene Zeitschrift AGOS 2007 mit dem Hermann-Kesten-Preis. Seit Dinks Tod ist sie die maßgebliche juristische Vertreterin im Verfahren um seine Ermordung, außerdem vertritt sie Dinks Familie und die Zeitschrift AGOS auch weiterhin vor den türkischen Gerichten und vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und ist Justitiarin der Hrant Dink Stiftung. Çetin ist überdies Verfasserin zweier Bücher über die Islamisierung der Armenier und ein häufiger Gast sowohl in Fernseh-Talkshows innerhalb und außerhalb der Türkei als auch auf vielen Konferenzen und eine gefragte Interviewpartnerin für die nationale und internationale Presse. In der Öffentlichkeit ist sie gewissermaßen das Gesicht des Prozesses um die Ermordung Hrant Dinks. Das macht sie zum Hassobjekt für jene ultranationalistischen Kräfte, die diesen Mord in Auftrag gaben. Sie erhielt zahllose Morddrohungen und stand seit Herbst 2011 in der Türkei unter massivem Polizeischutz. Dennoch haben ihre Freunde ihr geraten, angesichts der zunehmenden Gefährdung ihres Lebens zumindest für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Von Februar 2012 bis Januar 2013 war sie Stipendiatin des Writers-in-Exile Programms des PEN und lebte in Berlin. Im Anschluss kehrte sie zurück in die Türkei. 2017 erschien ein Text von Çetin in der PEN-Anthologie Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren.